Vom Nutzen schematischer Zeichnungen – Teil I

 

Gerhard Dirmoser – Linz 11.2004 (auf Anregung von Prof. Kristóf Nyíri)

            Gerhard.dirmoser@energieag.at

 

 

 

 

Da wir noch nicht gelernt haben (so wie die Techniker und andere Gestalter) vieles in Zeichnungen auszudrücken, soll dieser Text zur Klärung der eigenen Gedanken beitragen.

 

Der folgende Text bezieht sich auf Bild-Tableaus und Mapping- Ausstellungen, die sich auf eine private Sammlung von ca. 2000 schematischen Darstellungen stützen (Abb.1).

 

Im Detail wird auf Material Bezug genommen, das als CD ROM zur Konferenz „language of networks“ (Linz 2004) veröffentlicht wurde (Inhalt: ca. 700 Netzdiagramme).

In der darauf vorgestellten Studie sollte gezeigt werden, wie breit diagrammatische Techniken im Feld der Kunst zur Anwendung gelangen.

 

Viele Beiträge auf den aktuellen Bildkonferenzen (2003-2004) beschränkten sich auf einen ganz bestimmten mimetisch orientierten Bildbegriff. Es scheint daher sinnvoll, in den Bild/Diagramm-Analysen die schematischen Ausformungen vorerst getrennt zu behandeln (Abb.2), auch wenn es u.a. Steffen Bogen & Felix Thürlemann (Konstanz) bereits gelingt, die diagrammatische Analyse als Methode für jeden Bildtypus zur Anwendung zu bringen.

 

Diese eigentlich künstliche Trennung hat den Vorteil, daß damit zB. bildgebende Medien von

diagrammgebenden Medien unterschieden werden könnten (was aber zur Zeit auch nicht üblich zu sein scheint).

 

Aus meiner Sicht haben sich in der „Ordnungsarbeit“ drei Zugänge als fruchtbar erwiesen:

 

(Z1) Das tätigkeitstypenorientierte Medienschema (Dank an Mathias Vogel)  

(Z2) Typologie in Anlehnung an G. Deleuze

(Z3) Typologie nach Sachs-Hombach (kombiniert mit Deleuze-Ansatz)

 

Zu (Z1) In diesem Grundschema zur Medienanalyse (Abb.3) wird das „Mimetische Material

den „Diagrammatischen Grundlagen“ bzw. „Ordnungsgrundlagen“ gegenüber gestellt.

Das Grundschema versucht Bereiche der semantischen Fragestellungen vom Bereich abstrakter Ordnungsmuster abzugrenzen.

Diese nicht-mimetischen Ordnungsgestalten können in unterschiedlichsten inhaltlichen Fragestellungen als repräsentationstechnische Grundlage gesehen werden. Inhaltlich gesehen sind sie in der Regel sehr neutral, auch wenn sich im Rahmen der Anwendung auch bestimmte inhaltlich gestimmte Denkfiguren als ordnungstechnisch nützlich herausgestellt haben. 

 

Vergleiche dazu auch den Beitrag von Andreas Gormans (Imaginationen des Unsichtbaren. Zur Gattungstheorie des Wissenschaftlichen Diagramms). Zum Bereich der nicht-mimetischen Künste zählt er u.a. die technische Zeichnung und das Diagramm.

 

Sachs-Hombach geht unter „Strukturbilder“ auf diesen nicht-mimetischen Bereich ein.

 


 

Zu (Z2) Deleuze hat in seinen diagrammatischen Detailbetrachtungen zu M. Foucault, unterschiedlichste Schematypen im Detail behandelt. Die Begriffe Karte/Diagramm/Plan nehmen dabei eine zentrale Rolle ein (Abb.4) Diese drei Begriffe haben sich im Zuge der Aufarbeitung meiner Diagrammsammlung (nach 11 Grundtypen) als zentrale Gruppenbegriffe bewährt.

Die Bildung der Gruppen erfolgte dabei im ersten Ansatz nach wahrnehmungstechnischen Kriterien und nach dem Grad der Explizitheit der Ordnung bzw. dem Grad der realisierbaren Ordnung. (Abb.5)

 

Astrit Schmidt-Burkhardt hat für den Ansatz Karte/Diagramm/Plan zusätzlich folgende

Konkretisierung vorgeschlagen: (Abb.6)

 

           

Karte

Körper – Karte – Geophysis

(imitativer Zugang)

Diagramm

Diagramm – Abstraktion

(konzeptueller Zugang)

Plan

Plan – Instruktion

(imperativer Zugang)

 

 

Da in verschiedensten technischen Disziplinen die Begriffe wie Plan, Karte, Map, Schema, Diagramm, ... in hunderten Varianten und Kombinationen (z.T. wohldefiniert) eingesetzt werden, kann die Gliederung in drei Ebenen oder Hauptgruppen nur als ein grobes - aber immerhin gliederungstechnisch sehr nützliches - Vehikel aufgefaßt werden. (Abb. Begriffsliste)

 

Zum Begriff der Diagrammatik:

Da Karte, Diagramm und Plan als Gruppenbegriffe verwendet wurden, bleibt vorerst nur der Begriff „Schema“ als möglicher Überbegriff. In der Literatur haben sich aber als Label verschiedenster ordnungsorientierter Anstrengungen die Begriffe „Diagramm“ bzw. „Diagrammatik“ durchgesetzt.

So wurde in Konstanz auch bereits der „diagrammatic turn“ ausgerufen (Beitrag in: Die Bilderwelt der Diagramme Joachims von Fiore). Daher habe ich im Grundschema zur Medienanalyse auch den Begriff Diagrammatik dem Schemabegriff vorgezogen.

 

Zum Begriff des Mapping:

Da sich der Begriff der Diagrammatik eher in der deutschsprachigen Literatur findet, ist es wichtig, den Begriff Mapping in die Recherche einzubeziehen.

 


 

Zu (Z3) Typologie nach Sachs-Hombach (kombiniert mit Deleuze-Ansatz)

Sachs-Hombach schlägt im Buch „Das Bild als kommunikative Medium“ folgende Typologie der Bilder vor:

 

            (B1) darstellende Bilder

            (B2) Strukturbilder

            (B3) reflexive Bilder

 

Dieser sehr weitgesteckte Bildbegriff scheint mir sehr praktikabel zu sein. Die Wörter Schema und

Diagramm werden durch den Begriff „Strukturbild“ umgangen bzw. vermieden.

Problematisch scheint nur, dass der Begriff „Bild“ umgangssprachlich eher mimetisch gelesen wird

und damit die Diagramme/Schemata/Pläne/etc. zu kurz kommen.

 

Zu (B1) Die „darstellenden Bilder“ decken sich mit dem oben angeführten

„Mimetischen Material“. Die meisten Bildtheorien (auch Sachs-Hombach) beschäftigen sich primär mit diesem Bildtyp.

 

Zu (B2) Die „Strukturbilder“ (Untertitel: Von der Landkarte zum Diagramm)

Ausgehend von Diagrammen werden von Sachs-Hombach Detailbeiträge zu Karten und Plänen angeboten. Das scheint mir sehr bedeutsam zu sein, da man im Bereich der Strukturbilder die gleichen Schlüsselbegriffe Karte/Diagramm/Plan wie bei G. Deleuze findet (der übrigens in der umfassenden Literaturliste von Sachs-Hombach nicht vorkommt).

Bei den Strukturbildern liegt das Augenmerk auf der Abbildung von Eigenschaftsrelationen.

Ganz generell geht es um die Frage der Repräsentation von Beziehungen bzw. Relationen.

Relationale Schemata, Relationengraphen, Ordnungsgitter, Beziehungsdiagramme, … etc. währen weitere brauchbare Namen. Der Begriff der Strukturbilder legt auch die Verwandtschaft zur topologischen Mathematik nahe (Vergl. Mutterstrukturen der Bourbaki-Gruppe).

 

Zu (B3) Die „reflexiven Bilder“ ermöglichen es auch jene sehr abstrakten und selbstbezüglichen Bilder der bildenden Kunst in die Analyse aufzunehmen, die sonst immer völlig ausgeklammert blieben.

Dazu sei angemerkt, dass G. Deleuze in seiner Analyse zu Francis Bacon das Instrumentarium der Diagrammatik so ausgebaut hat, dass er auch mit abstrakter Malerei sehr detailliert umgehen konnte. So gesehen könnte (B3) in (B2) integriert gedacht werden (quasi als „diagrammatische Malerei“).

 


 

Zusammenfassung und Detaillierung der Gruppenbegriffe

Entwicklung von Schematypen

 

Karte

Landkarte, Clusterung/Tableau, Bodymap

Ebene 1

Diagramm

Tabelle, Reihe, Baum/Netz, Ablauf, Kreis/Quadrat

Ebene 2

Plan

Collage/Knotung, Architektonik, Techn.Zeichnung

Ebene 3

 

 

Im Rahmen der Aufarbeitung der Schemata-Sammlung hat es sich als praktikabel herausgestellt, 

anfangs neun (Abb.9). und dann später elf unterschiedliche Schematypen zu unterscheiden. Diese Ordnung sollte nicht zu dogmatisch aufgefasst werden. Je nach Materiallage sind weitere Teilungen zu erwarten.

 

Die Benennung der elf Typen ist über Definitionen im Sinne von eindeutigen Kategorien nicht wirklich optimal zu lösen, da wieder nur künstliche Begriffe in Spiel gebracht würden. Es wurden daher möglichst anschauliche Exemplare stellvertretend als Label herangezogen. (Abb.7)

 

War der erste Ordnungsansatz noch von sehr konkreten Kartentypen, Baumgraphen, … etc. dominiert, ließ sich im Zuge einer Studie für das Symposion „language of networks“ ein weiterer Abstraktionsschritt umsetzen. Anhand 700 Netzgraphen konnte gezeigt werden, dass neben den „reinen“ Netzen eine Vielzahl von Ausformungen existieren, die im Zusammenhang mit Landkarten entstanden waren, eher Cluster als Netze darstellen, Körper netzartig überlagern, in ideale Kreis/Quadrat-Schemen eingebaut waren usw.  (Abb.8)

 

            Für jede der elf Typen wurde auf der Basis der Netzmaterialien ein Bildtableau realisiert

            um den Analyse- und Ordnungsansatz anschaulich zu machen.

 

 

 

Abb.10

Abb.11

Abb.13

 

 

 

Abb.14

Abb.15  

Abb.16  

Abb.17

Abb.18

 

 

 

Abb.19  

Abb.20  

Abb.21

 

 

 

 

Auf diese Weise hat nun der eine Schematyp (Netzgraph, Netzdiagramm, Netz, …) das Ordnungsschema abstrahiert:

 

Ebene 1: An die Stelle der Landkarte trat die Repräsentation eines Lagezusammenhangs. An die Stelle der Clusterung/Tableau-Bildung die Möglichkeit, Ähnlichkeit durch Nähe zu repräsentieren. An die Stelle der Bodymap traten diverse konkrete Objekte als Referenzsystem.

 

Ebene 2: An die Stelle der Tabelle traten Techniken der Ansammlung. An die Stelle der Reihe traten unterschiedlichen Techniken einfache Abfolgen zu repräsentieren. An die Stelle der Bäume und Netze die Techniken Differenz und somit Kategorien zu etablieren. An Stelle der Ablaufdiagramme traten diverse Modelle für die Repräsentation von Prozesszeitlichkeit (also von komplexen Abläufen bzw. Systemen). An die Stelle der Kreis/Quadrat-Schemen traten diverse Idealformen.

 

Ebene 3: An die Stelle von Collagen und komplexen Knoten traten die topologischen Prinzipien der Schichtung und komplexen Faltung. Die Geistesarchitektonik wurde in eine allgemeinere räumliche Architektonik überführt. Die Beispiele künstlerisch-technischer Zeichnungen finden sich nun unter Konstruktionen, die der funktionalen Klärung dienen.

 

            Die transformierten Schematypen:

 

Karte  

Lagezusammenhang, Ähnlichkeit/Nähe, Referenzsystem

E1

Diagramm

Ansammlung, Abfolge, Differenzierung, Zeitlichkeit, Idealform

E2

Plan

Schichtung/Faltung, Architektonik, Konstruktion

E3

 

 


 

Die transformierten Schematypen tragen nun keine griffigen bzw. anschaulichen Namen mehr, dafür finden sich verschiedene Beziehungsqualitäten im Schematyp.

 

 

 

01

02

03

 

E1

 

04

05 

06 

07

08

E2

 

 

09 

10 

11

 

E3

 

01 Lagezusammenhang

situative Lagebeziehung

02 Ähnlichkeit/Nähe

Ähnlichkeitsbeziehung, Verwandtschaftsbeziehung,

Analogiebeziehung

03 Referenzsystem

Körperbeziehung, Referenzbeziehung

04 Ansammlung

Selektion, Zusammengehörigkeit, Bestandsrelation

05 Abfolge      

Genealogische Beziehung, Verwandtschaftsbeziehung,

Relationen in der Zeit

06 Differenzierung     

Begriffsbeziehung, Gegensatzbeziehung,

Bedeutungszusammenhang, argumentative Beziehungen, signifikante Relationen  

07 Zeitlichkeit

Systemische Beziehung, Prozesszusammenhang,

logischer Zusammenhang, logische Relationen (Peirce),

Relationen in der Zeit

08 Idealform

Idealbeziehung, Idealkonstellation, geometrische Relation

Topologische Relation (außen vs. innen)

09 Schichtung/Faltung

Topologische Beziehung, räumliche Lagebeziehung

10 Architektonik

Konfigurationsbeziehung, struktureller Aufbau,

statische Zusammenhänge

11 Konstruktion

Funktionale Beziehung, Stücklistenbeziehung,

technische Relationen

 

Karte  

Lagebeziehung, Ähnlichkeitsbeziehung, Referenzbeziehung

E1

Diagramm

Selektion, Genealogie, Begriffsbez., Systemische Bez., Idealbez.

E2

Plan    

Topologische Bez., Konfigurationsbeziehung, Funktionale Bez.       

E3

 

Dieser Wandel in der Betrachtungsperspektive und in der Benennung ist von zentraler Bedeutung. Mit der Ausklammerung der „Symbole“ und der mimetisch orientierten „Befüllung“ kommt man einer durch und durch relational orientierten Sicht.

Anstelle der „körperlichen“ Realwelt-Entitäten (Konkretisierungen) treten Beziehungen, Konstellationen, Felder, … etc.

In der Sprache der Netzwerke formuliert: Man macht den Wandel von den Knotenelementen (Quasi-Verkörperung) hin zu den Netzkanten durch, also im Extrem zu Netzen ganz ohne Knoten, also zu Netzen die nur aus den Stützungsverhältnissen von Kanten bestehen.

 

Die Diagrammatik versucht also quasi unsichtbare (oder verdeckte) Verhältnisse ans Licht zu bringen und explizit zu repräsentieren.

 

Da jede Form von diagrammatischer Beziehung auch graphisch/zeichnerisch (also „gestisch“ !) umgesetzt bzw. praktiziert werden kann, finden sich diese Ordnungsgerüste in den unterschiedlichsten Medien.

„Dienende“ Disziplinen wie die Typographie haben umfassendes diagrammatisches Anwendungswissen erarbeitet.

 

Diagramme als „das“ relationale Medium

Das was in der Verbalsprachlichkeit die Verben als Relationsbegriffe leisten, können die Diagramme in graphischer Form repräsentieren.

 


 

In der Diskussion Bild /vs/ Diagramm kommt immer wieder das „Füllungsmoment“ zur Sprache.

Die Ordnungsfigur des Diagramms wird dabei mit einer (mimetischen/symbolischen) „Befüllung“ bedacht.

Auch scheint es in diesem Zusammenhang sinnvoll, von einer „inneren“ und einer „äußeren“ Form zu sprechen.

 

Das „Diagramm als Gliederungssystem“ findet sich auch in der Studie „Fülle und Leere“ von Francois Cheng zur chinesischen Malerei. Er beschreibt dort das Konzept „Li“:

 

Li (Prinzip, Gliederung, innere Linie) …

Es geht … weniger darum, die äußeren Erscheinungen der Welt zu beschreiben, als die inneren Prinzipien zu erfassen , die die Dinge gliedern und sie zueinander in Beziehung setzen. 

 

In seine Überlegungen zur Rolle der Zentralperspektive schreibt Steffen Bogen:

 

Die visuelle Kultur der Neuzeit beruht auf der Entdeckung, diese beiden Modi der

Repräsentation geschmeidig ineinander überführen zu können: Das Diagramm erzeugt

das Bild, das Bild füllt die diagrammatische Konstruktion.

 

Über die „Befüllung“ diagrammatischer Schemata mit Textinhalten und figürlichen Elementen

findet man bei Steffen Bogen & Felix Thürlemann umfassende Überlegungen. Am Beispiel meiner Sammlung der Netzdiagramme kann gezeigten werden, an welchen Stellen sich das semantische Material in das Diagramm „einnistet“. Netzdiagramme bieten dafür Knotenpositionen (Abb.23), Kantenlagen (Abb.24), aber auch die Maschenzonen als mögliche Stellen der Unterbringung inkl. der netztypischen Möglichkeiten der Bezugnahme.

 

(SB/FT) … figürliche Elemente des Schemas können in das gleiche diagrammatische System einbezogen werden wie die Begriffe. Sie sind ebenso wie die Schrift topologisch und geometrisch genau definierten Feldern und Rahmenformen zugeordnet und darüber hinaus durch formale Analogie-/Gegensatzbeziehungen aufeinander bezogen.

 

In der Sammlung der Netzdiagramme finden sich in der Position der „Knoten“ bzw. Kreuzungsstellen: Begriffe, Textblöcke, Symbole, Bilder.

Aber auch die Kanten können von Begriffen und Symbolen (zB. für Richtungsinformationen) (Abb.25) in Beschlag genommen werden. Im Bereich der Themenkarten finden sich auch Beispiele der Nutzung der durch die Netzmaschen realisierten Zonen (Abb.26).

 


 

Historische Sicht

Auch wenn die historisch orientierten Diagrammatik-Forschungen erst am Anfang stehen, lässt sich auf jeden Fall zeigen, dass in Bezug auf die Gruppenbegriffe (Karte, Diagramm, Plan), die ältesten bekannten „modernen“ Zeichnungen der Gruppe der Karten zuzuordnen sind (die ältesten bekannten Karten werden auf 3000 v.Chr. datiert). Der imitative Zugang (und damit auch der mimetische Bildbegriff) stehen am Anfang der Diagrammatik. (Abb.22)

Hans Belting und Thomas Macho versuchen über die Erscheinungsformen der Masken die Entstehung bestimmter diagrammatischer Zeichnungstypen zu rekonstruieren.

 

Landkarten stehen mit der Vermessungskunde und damit mit der Geburt der geometrischen Zeichnung in Verbindung. Römische Agrimensoren hatten einen geometrisch fundiertes System um Grenzsteine zu setzen – das Wissen dazu wurde über Diagramme vermittelt (SB/FT).

 

Die Episteme der Renaissance heißt Ähnlichkeit. Foucault und Warburg haben für diese Zeit einiges zu bieten.

 

Karte

Körper – Karte – Geophysis

(imitativer Zugang)

Diagramm

Diagramm – Abstraktion

(konzeptueller Zugang)

Plan

Plan – Instruktion

(imperativer Zugang)

 

Karte

Landkarte, Clusterung/Tableau, Bodymap

Ebene 1

Diagramm

Tabelle, Reihe, Baum/Netz, Ablauf, Kreis/Quadrat

Ebene 2

Plan

Collage/Knotung, Architektonik, Techn.Zeichnung

Ebene 3

 

 

Forschungen zu Baum- und Netzstrukturen zeigen schöne Beispiele um 1200 n.Chr.

Bereits um 1500 werden Wissensgebiete in Baumform visualisiert.

Hartmut Böhme bezeichnet 2002 die Netzsicht als die Episteme der Moderne. Der konzeptuelle Zugang hat also den imitativen Zugang abgelöst bzw. erweitert. Mit Kant kann die erste Moderne mit ca. 1750 angesetzt werden. Um 1736 hat der Mathematiker Euler mit der Graphentheorie ein Verfahren zur graphischen Lösung logischer Fragestellungen entwickelt.

Man sollte aber bedenken, dass diagrammatische Darstellungen des Quadratwurzelziehens schon in der Keilschriftzeit bekannt waren.

 

Für 1300 lassen sich Funktionsschemata pneumatischer Einrichtungen nachweisen, die Zeichnungen der Antike überliefern!

Der Bereiche der Pläne ist um 1449 (also vor Leonardo da Vinci, der 1452 geboren wurde) mit den technischen Zeichnungen von Il Taccola (Jacopo Mariano) (Vortrag von Steffen Bogen) in groben Zügen entwickelt.

Vermutlich 1413 hat Brunelleschi auf 2 Tafeln die Grundprinzipien der Perspektive dargestellt.

Die verbalen Beschreibungen der Geistesarchitektonik gehen auf die Generation vor Kant also ungefähr auf 1700 zurück. Das Interesse für Faltungen lässt sich gut mit Leibnitz (um 1700) in Verbindung bringen.  

 

(SB/FT) „Diagramme wurden während der Antike und im ganzen europäischen Mittelalter überraschend häufig eingesetzt. Die griechische Antike hat die Begriffe schema und diagramma geprägt, die wir noch heute gebrauchen“. 

 


 

Das Grundschema als Phasenschema (Abb.27)

Das Grundschema mit den elf Knoten bietet neben den Ordnungsangeboten weiters die Möglichkeit, diverse Ordnungsvorgänge im Feld der Kunstforschungen, aber auch Bereiche der Archäologie als Abläufe in einem Phasenschema zu visualisieren.

Von einer ersten Versammlung, schreitet man über die situative Klärung zu Vergleichen und Datierungen auf der Grundlage feststellbarer Ähnlichkeiten. Genetische Beziehungen werden im Rahmen begrifflicher Klärungen explizit gemacht und sind in der Folge Basis für umfassende systemische Klärungen. Zuletzt wird dann der entdeckte Zusammenhang idealisiert zur Darstellung gebracht.

 

Die Rolle der Philosophie bei diagrammatischen Überlegungen

Auch wenn die Diagrammatik nicht in breiter Form abgehandelt wurde, so lassen sich einige sehr wichtige Vertreter benennen (Abb.28). Im Zuge der Mapping-Ausstellungen (TransPublic Linz) konnte gezeigt werden, dass Deleuze/Guattari und Foucault eine zentrale Rolle einnehmen.

Im Kunstfeld und im Bereich der Architekturtheorie lassen sich Bezugnahmen in bereiter Form nachweisen. Einige der relevanten Textstellen stehen als Plakat zur Verfügung (Abb.29).

 

Mit Zitaten aus dem Buch „Vom Buch zum Album“ von Alois Pichler über den Albumbegriff bei Wittgenstein (Abb.30), lässt sich zeigen, dass sich das diagrammatisches Denken bei Wittgenstein nicht nur in den 1300 erhaltenen Zeichnungen (Abb.31) niedergeschlagen hat.

 

Auch die Texte von Peter Sloterdijk lassen sich diagrammatisch umnutzen (Abb.32).

 

Den Text „Bildbedeutung und mobile Kommunikation“ von Kristóf Nyíri lese ich als einen weiteren wichtigen Beleg für ein diagrammatisches Interesse der Philosophie.

 

Über die antike Kernbedeutung des Begriffs „Diagramm“ als „geometrische Beweisfigur“ (SB/FT)

kommt man dann auf den Vordenker der Semiotik Ch. S. Peirce zu sprechen.

Das Diagramm ist für Peirce zunächst und vor allem Medium des Denkens. (SB/FT)

In seinen Diagrammen sieht Peirce Mittel, die Denkbewegung zu verlangsamen, zu kontrollieren und offenzulegen. (SB/FT)

 

In einer weiteren Plakatarbeit (Abb.33) wurde der Versuch unternommen auf der Basis der 11 Diagrammtypen eine Sammlung von anschaulichen Denkfiguren anzulegen. Damit kann gezeigt werden, wie stark diese diagrammatischen Ordnungsfiguren im Denken auch verbal verankert sind.

 

+++

 

Nachdem die diagrammatischen Forschungen in absehbarer Zeit größere Fortschritte gemacht haben werden, könnte der Versuch unternommen werden, einen integralen Bildbegriff zu formulieren. Oder mit Steffen Bogen formuliert:

 

„Die Brauchbarkeit der vorgeschlagenen Kategorien erweist sich m.E. erst dann, wenn man erkennt, daß visuelle Artefakte eigentlich immer schon bildlich und diagrammatisch zugleich sind und daß visuelle Kulturen immer schon damit beschäftigt sind, die unterschiedlichen Tendenzen zu einem pragmatischen Ausgleich zu bringen.“ 

 

 

Anmerkung: Zitate/Formulierungen aus Texten von Steffen Bogen & Felix Thürlemann sind mit (SB/FT) bzw. (SB) gekennzeichnet.

 

Dank an:

Josef Nemeth (+), Boris Nieslony, Astrit Schmidt-Burkhardt, Kristóf Nyíri, Bruno Latour,

Peter Weibel, TransPublic, Walter Pamminger, Sabine Zimmermann, Tim Otto Roth,

Walter Ebenhofer, Franz Reitinger, Steffen Bogen, Mathias Vogel, Alois Pichler,

Lydia Haustein, Josef Lehner, Bernhard Cella