DIE WENDE bei den österreichischen Grünen A. Krieg in Jugoslawien: Österreichischs Grüne schwenken auf Linie von Joseph Fischer ein 24. März Am Abend des 24. März 1999 fallen die ersten Bomben auf die Bundesrepublik Jugoslawien. 26./27. März Offener Brief an Bundesvorstand der österreichischen Grünen "Wer jetzt nicht handelt, wird mitschuldig" wird von 47 Grünmitgliedern unterstützt. Drei zentrale Forderungen:
27. März EBV nimmt ein Papier von Johannes Voggenhuber zur Kenntnis, in dem dieser Krieg aus 7 Gründen verurteilt wird. Gefordert wird die Einstellung aller Kampfhandlungen, Rückkehr zum Verhandlungstisch (unter Einbeziehung Rußlands und der Anerkennung der völkerrechtlichen Oberhoheit der UN), europäische koordinierte Hilfsmaßnahmen für die Flüchtlinge, etc. Klar benannt wird, dass der Kososo-Konflikt instrumentalisiert wird, um die NATO-neu (globaler Interventionismus der wirtschaftlich reichen Staaten) durchzusetzen. Ansonsten wird zu den drei Forderungen nicht Stellung genommen. Bei Aktionen und Kundgebungen sind die Bundesgrünen offensichtlich nicht vorhanden. Am 13. März findet eine Bundesvorstandssitzung statt. Menschen, die den offenen Brief unterschrieben haben und bei der Sitzung dabei sein wollen, werden ausgeschlossen. Das Ergebnis ist ein Papier, das die Positionierungen von J. Voggenhuber zurücknimmt, keine der drei Forderungen erfüllt, ja geradezu das Gegenteil davon zum Ausdruck bringt:
Mit diesem Beschluss des Bundesvorstandes erfolgt damit bereits die Abkehr von den Voggenhuber-Positionen. Im selben Bundesvorstand äußert Van der Bellen "Verständnis" für Joseph Fischer; Peter Pilz fordert Bodentruppen, wie dies auch die französischen Grünen bereits tun. 12. April Peter Pilz tritt (im Profil 15/99) und Madeleine Petrovic (im ORF "Zur Sache" 18.4. 99) ebenfalls für die Aufhebung des Vetorechts im UN-Sicherheitsrat ein. 14. April: der sog. "Fischer-Friedensplan" wird veröffentlicht. Was sind die Kerninhalte dieses Plans? Von den InitiatorInnen der Grünen Antikriegsinitiative in der BRD, Uli Cremer und Ilka Schröder, wird der Fischer-Plan als "alter Wein in neuen Schläuchen" bezeichnet:
Einschub: Deutsche Politik lief und läuft auf die ethnisch definierte Zerlegung Jugoslawiens in leicht kontrollierbare Kleinstaaten hinaus. Hier liegt auch ein Unterschied zwischen amerikanischer und deutscher Balkanpolitik. Der US-Diplomat Holbrook klagt an (sh. Kurier, 20. 4. 99), dass "die rasche Anerkennung der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens durch Deutschland und Österreich ... den Krieg am Balkan und den Zerfall Jugoslawiens ausgelöst" hat. Dieselbe Politik wiederholt sich nun im Kosovo. Das Abkommen zwischen Holbrooke und Milosevic im Herbst 1998 sah keinen totalen Rückzug Jugoslawiens aus dem Kosovo, sondern weitgehende Autonomie vor. Die deutschen Vorstöße zielen dagegen auf die Sezession. Helmut Sonnenfeldt, renommierter außenpolitischer Experte der USA, meint zum Fischer-Plan: "Viele haben nicht realisiert, dass sie [J. Fischer Vorschläge] den Boden bereiten für den Einsatz von Bodentruppen, indem sie vorher demonstrieren, alles unternommen zu haben". Ilka Schröder und Uli Cremer bezeichen den Fischer-Plan als einen "Neuaufguss des Rambouillet-Vertrages, der bekanntlich nicht zuletzt an der NATO-Forderung nach Stationierung einer NATO-Truppe mit Bewegungsfreiheit in ganz Jugsolawien scheiterte." Tatsächlich dürfte der Fischer-Plan vor allem die Wirkung haben, die Grün-Parteien in Europa auf Linie zu bringen. 14. April In einer Stellungnahme der Grün-Fraktion im Europäischen Parlament wird von allen - offensichtlich auf von Voggenhuber - der Fischerplan unterstützt. Explizit wiederholt wird, dass kein sofortiges Ende des Krieges, sondern nur eine 24-stündige Unterbrechung der Bombardements ins Auge gefasst wird. Erst wenn es zum Abzug aller jugoslawischer Tuppen aus dem Kosovo kommt, wird der Angriff dauerhaft eingestellt. 14. April Deutsche und italienische Grüne unterstützen den Fischer-Plan bei einem Treffen der Vorsitzenden. 15. April Der "alte Wein in neuen Schläuchen" mundet auch bei den österreichischen Grünen. Der Grüne Bundessprecher Van der Bellen begrüßt den "Fischer-Friedensplan" . Der Bundesvorstand hat bereits am 12. April die Kernelemente dieses Planes beschlossen. 23. April Bei einer maßgeblich von den Grünen getragenen Kundgebung in Wien wird gefordert "Schluss mit der Besetzung des Kosovo!". Zum ersten mal taucht damit die Forderung nach Abspaltung des Kosovo von der BR Jugoslawien auf, was in der Konsequenz auf eine großalbanische "Lösung" hinausläuft. Damit wird auch innerhalb der österreichischen Grünen die Anbindung an die deutsche Politik vollzogen:
24. April Stitzung des Erweiterten Bundesvorstandes: Van der Bellen verteidigt den Beschluß des Bundesvorstandes vom 13. 4. 99. Von Niederösterreich wird die sog. "Friedersbacher Erklärung" eingebracht. In dieser Erklärung wird u. a. gefordert
Diese Erklärung wird von allen anderen im EBV abgelehnt. Ebenso abgelehnt wird die von NÖ geforderte Einrichtung einer Bundesarbeitsgruppe Frieden. Aktivitäten gegen den Krieg werden nicht beschlossen. Eine Gruppe grüner Mitglieder (Offensiv Grün OÖ) lädt, weil keine Reaktion der Bundesspitze auf den offenen Brief kam, am 24. April zu einer Diskussion "Grüne und Krieg. Sonnenblumen zu Stahlhelmen?" ein - unter Zuhilfenahme von Grünen Adressenmaterial - und fordert die Partei auf, auf europäischer Ebene keine gemeinsame Förderation bzw. Fraktion mit jenen Grünen zu bilden, die KriegstreiberInnen sind. Die Debatte, ob Alexander van der Bellen als Spitzenkandidat tragbar ist, wird ebenfalls forciert. 3. Mai Mercedes Echerer, Zweitgereihte auf der grünen Liste fürs EP, meint in den OÖN in Bezug auf Joschka Fischers Kriegspolitik: "Ich möchte nicht in der Haut von Joschka Fischer stecken. Grüne sind Pazifisten, da fährt der Zug drüber. Aber ich wüßte nicht, wie ich an seiner Stelle reagieren würde." 4. Mai Am 4.5. beschließt der Erweiterte Landesvorstand der Grünen OÖ., daß die Aussendung "Grüne und Krieg" inhaltlich unrichtig ist, verurteilt die Vorgehensweise der InitiatorInnen "auf das Schärfste", bezeichnet die Aktivitäten der entschiedenen KriegsgegnerInnen als "in hohem Maße schädigend für die Grünen OÖ" und fordert "personelle Konsequenzen" wegen der Verwendung von Grünen Adressenmaterial. 13. Mai Bei der Bundesdelegierten Konferenz der deutschen Grünen wird nach heftigen Auseinandersetzungen ein Antrag beschlossen, der der Kriegspolitik von Joseph Fischer den Rücken stärkt: in diesem Beschluss wird ein sofortiger, bedingungsloser Stopp der NATO-Bombardements abgelehnt, gefordert wird legiglich eine befristete Feuerpause. 40 % der Delegierten stimmen gegen diesen Antrag. In einer Stellungnahme von "Basisgrün" - einer Initiative der KriegsgegnerInnen und Linken innerhalb der Grünen - heißt es dazu: "Der Beschluss legitmiert den NATO-Einsatz ... Da jenseits der Frist wieder die Drohung intensivierter Kriegshandlungen durch die NATO-Staaten steht, bedeutet dies keinen Ausstieg aus der militärischen Logik. Der Beschluss zeilt daher nicht auf eine Änderung der deutschen Poalitik, er stellt die Bertechtigung und die Wirksamkeit der NATO-Bombardierungen nicht in Frage." 14. Mai 16 Mitglieder der Grünen OÖ. erklären ihren Austritt aus der Partei: PazifistInnen und AntimilitaristInnen werden aus den Grünen rausgedrängt. Dazu die Pressereaktionen. 15. Mai Alexander van der Bellen würdigt die Ergebnisse des Parteitages der deutschen Grünen als "gutes Ergebnis".
B. Grüne Außenpolitik schwenkt auf deutsche Linie ein Wenn man verschiedene Aussagen und Ereignisse zusammennimmt, entsteht eine deutliches Mosaik der sich vollziehenden Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik der österreichischen Grünen. a) In Österreich:
b) auf EU-Ebene: Mitte 1998 stimmt der überwiegende Teil der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament, darunter auch der österreichische Grün-Abgeordnete J. Voggenhuber, einem Entschließungsantrag zu, in dem es u. a. heißt:
Damit wird klar die Perspektive der Militarisierung der EU formuliert. Quintessenz: Auch die Grünen schwenken auf die Positionen der SPÖ ein: kein Beitritt zur NATO, aber Mitmachen an der Militarisierung der EU. Das entspricht vor allem jenen von Deutschland verfolgten Intentionen, die EU schrittweise von der NATO abzukoppeln, um eine eigenständige EU-europäische Großmacht unter deutscher Führung zu etablieren. Anmerkungen: 1) Bei den CJTF handelt sich darum, dass NATO-Logistik und Infrastruktur auch unter einem (W)EU-Oberkommando eingesetzt werden kann 2) Folgende Instrumente sind im Vertrag von Amsterdam vorgesehen:
Text von Gerald Oberansmayr, ehemals Mitglied |