"Seids radikaler, seids ärger, es dürfts viel mehr Dreck machen"


faust

Eine Bildtextgeschichte . mit Fritz O. (SUMPF) und Georg Ritter (FRO). Photos von Udo Danielczyk. Textauswahl von Kurt Holzinger mit Hilfe von Markus Binder.


O: ...Kinder, es sind ja nur Kinder, es kommen 18-, 19-, 20-jährige Kinder nach...Kinder, die nur taff sind. Taff sind's, taff. Lässig, Lässig.
Bled wia Sau, aber lässig...
...vielleicht haben's auch recht. Weil ich frag mich ja ununterbrochen, bin ich jetzt wirklich schon viel zu alt, daß ich ununterbrochen auf Kids einhau, verbal. Wenn ich bei die Kinder dauernd einforder, seids radikaler, seids ärger, es dürfts viel mehr...
R:Aber unabhängig davon, ist in Wien überhaupt das Großstadt-Syndrom von dem Problem getragen, daß einfach dieses Duckmäusertum und diese Profilierungsneurosen so überhand nehmen, daß man einfach völlig...
O: Das hat mit Wean nix zu tun, oder? Das ist Generation. Ich behaupt brutal, das ist Generation.
R: Na net nur...Wir haben das Problem von den Bundesländern aus, ja?, z.B. immer wieder festzustellen, daß es leichter ist, hier einen Konsens auf einer kleinen Ebene herzustellen, operativ zu werden...
Auge von O. O: Habts ihr 20jährige...
R:...unsere Radioaktivisten...
O: ...die taff sand? Die sofort... 20jährige?
R: ...die Radioaktivisten sind zwischen 21 und 25 Jahr...
O: Gesegnet!
R: ...die momentan in OÖ die Sache in die Hand nehmen. Wir haben auch einen regen Austausch mit ihnen. Aber würden sie das nicht machen, würde es überhaupt nicht stattfinden, weil wir könnten das nicht aufsetzen. Und das, was passiert - österreichweit -, ist momentan das, daß gerade die Wiener Partie die Schlappis sind, die Denunzianten sind, die Nörgler sind...
O: Geh, die wissen gar net was Denunzianten sind...
R:...die Abgrenzer...
O:...das wissen die gar net. Des ist schon viel zu viel, du unterstellst zu viel...
R:...wo man in die Richtung schreitet, eben das Maul aufzureißen auf gewisses Risiko hinaus einfach Mensch zu sein und net... O + R O: ...und Scheiße zu bauen und alles, ja,ja
R: Ja genau! und net die perfekte Antwort zu liefern...diese Rituale gibts ja in gewissen Faschingskulturen, wo einmal alles durch den Kakao gezogen wird, oder in einer Unruhnacht...
O: ...es wird zurzeit in Wean ka Gumbo gfressn, sondern es ist alles auf Mineralwasserkultur, alles! Und das tut mir so unendlich weh..... pfaah ...gehts doch scheißn.. also ich bin jetzt wirklich altersverzagt. Ich hab echt zurzeit sowas von einer brutalen midlife-crisis, was ich noch nie in mein Leben ghabt hab...
R: Ja, aber logisch. Das ist net dein Bier
O: Des is net mein Bier, was die mir erzählen wolln, na
R: Na. Das kann nimmer dein Bier sein.
O: ...Immer Rückzugsgefechte. Wo ich tue, immer Rückzugsgefechte. Ich bin 39 Jahr alt wordn und hab nienienie entfremdete Arbeit geleistet, nie! Und mit 39 hab ich angefangen, entfremdete Arbeit zu leisten...des geht halt mich gar nix mehr an, ob die Glocknhosn wieder kummt. Mit 39 Jahr hab ich 5 Dejavuglockenhosenerlebnisse gehabt oder so. Und die Jugend hat das Recht, die Glockenhosn und des Radl immer wieder neu zu erfinden, aber es is net mein Radl mehr. Als Mechaniker steh ich daneben und sag: `Des Radl kenn ich so gut, des brauch ich nimmer machen'...`Kreativität'
Brille von O. mit O. - man scheniert sich für solche bledn Worte
R: Ja, aber Herr Ostermayer, da kommen schon ein paar Probleme auf. Ja...
O: Ja, einige kommen bei mir...
R: ...ja da kommen wirklich einige Probleme auf, daß man sozusagen einerseits - ich bin wahrscheinlich gleich alt wie du, ich bin 39
O: 56er
R. R: Ja, 56, und was dabei entsteht ist, daß man sozusagen niemals Anwalt der Jugend sein kann...
O: Des will ich auch net. Na, um Hillelswillen! Des is lächerlich.
R: Na, des kann man net. Man kann auch nicht für die Jugend sozuagen die Strukturen legen und schaffen und aufrechterhalten.
O: Kann man dann - und das ist hoffentlich eine berechtigte Frage - kann man von der Jugend fordern, daß sie net arschanbiedernd nur karrieristisch denkt? -
Fordern kann man gar nix. Aber dürft ich das fordern? O. im denken Darf ich sagen, daß das sonst Arschlöcher san?
R: ...Und dann kannst natürlich entweder fighten, um diese Hoheitsrechte, oder du mußt gewisse Eingeständnisse machen, für was der Sender gut ist und für was du da drin funktionierst. Ja? So nackert steht die Wahrheit da mitten am Tisch.
O: ...aber ich will das Narreneck, wo ich noch einen Markus Kircher vorstellen kann und wo ich noch LICHT spielen kann...
R: Ich wollte dir die Frage stellen: `Siehst du es als völlig verfehlt, den Leuten selbst die Stimme zu überlassen, daß sie, welcher Qualität auch immer....
O: Welchen Leuten, das versteh ich net ganz. Jungen Machern?
alle an einem Tisch R: Freies Offenes Radio impliziert, daß jeder Zugang hat, daß jeder einiquatschen kann, so blöd es auch immer ist...
O: Ja, das ist immer noch eine geniale Utopie. Ich bin der größte RADIO ALICE-Fan aller Zeiten.
Aber die Utopie glaub ich einfach nimmer.
R: Die glaubst net. Aber daß man gesellschaftlich in die Richtung hin drängen muß...
O: Ja,ja, jederzeit muß ja alles dorthin drängen...
R: ...daß man gesellschaftlich in eine offene Gesellschaft drängen muß und auch die Zugänge organisieren muß...
O: Ja natürlich, natürlich!
R: ...das ist momentan die Arbeit: Daß man Strukturen öffnet, die zugänglich werden und nicht die Gestaltung ein Prozeß ist, wo man einen Zampano obareißn muß, in der Auslagscheiben steht und den Dodl obareißt für X-tausend, fernab der Qualität, die man dann wiederum im Einzeldetail, wie man sich dann posiert hat, diskutieren könnte, fernab das in ein anderes Verhältnis rückt. Nämlich, daß jeder ein Maul hat und daß jeder stimmberechtigt ist und eigentlich in seiner Sache selber Anwalt ist. Insofern ist diese Operation für uns vom inhaltlchen Ansatz her, die Strukturen aufzuweichen. D.h. neben dem ORF Freie Frequenzen.
O: Das ist das normalste Denken, aber...
O. im denken R: Ich weiß, in der Realität schaut alles anders aus
O: In der Realität ists pervers. Weil zuallerst werden die Dichands uns zuascheißn von oben bis unten, oder? Ich meine, das ist die plumpe Realität. Es wird nicht das freie Radio zuerst kommen und nicht RADIO ALICE. Sondern es wird das Drecksradio alles zuascheißen. Ganz zynisch und verkürzt gesagt, steh ich mittlerweile dafür ein, zu sagen, bevor der Dreck aus Deutschland oder egal woher - wir wissen wies werden, wer die Frequenzen kriegen wird...da bin ich mittlerweile für die totale Albanisierung und sag: `O.k., dann gibts in Österreich halt nur den ORF und aus, sonst nix.'
Bevor die Staberlradios daherkommen, sag ich: `ORF-Radio'. Brutal.
hand von R. R: Aber Herr Ostermayer, es gibt ja da jetzt ein ganz ein knallhartes Problem.
O: Ich weiß schon, daß das jetzt nicht die Lösung ist.
R: ...Es müssen noch mimimale Flächen übrigbleiben, die z.B nicht kommerzieller Verwertung unterliegen.
...Aber deswegen sag ich momentan: `Unsere politische Arbeit in diesem Zusammenhang ist sehrwohl strukturelle Arbeit, die eigentlich nur mehr pokert, um letzte Ressourcen von nicht verwertbaren Flächen zu organisieren, rein einmal strategisch...
O: ...So wie meine Mutter gesagt hat: `Ja Bua, mit was beschäftigst denn di du? Bist scho ganz deppat?' oder so. Und meine Mutter, wenn sie verkabelt wär, ich würd zu ihr sagen: `Ich beschäftig mich mit nix anders als was sie jeden Nachmittag um 1, 2 in deine Sendungen zeigen'. Und das ist irre. Es ist so eine unendliche Obszönität. Ich bin baff. ...Also, daß ihr überhaupt noch medientheoretisch weiterdenken könnts, ist für mich schon eine Hochachtung und gleichzeitig aber auch Verwirrung. Wie gibts das noch?
R: Deswegen meine ich ja...Also ich muß da zu meiner eigenen Vorgeschichte einen wichtigen Punkt sagen. Ich hab Bühnenbild studiert und bin nie ins Theater gegangen. Du hast...
O: Theaterwissenschaft studiert und bin auch nie ins Theater gegangen.
R: Aber es ist schon einmal eine wesentliche Voraussetzung, obwohl das Radio net viel weiter entfernt ist in diesem Zusammenhang...
O: Ich hör nie Radio, ja...


APRIL 96


wir lesen hören schauen linz