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MOGADISHO
Mittwoch 01 Juli
Das Hotel Croce del Sud ist ein grosszügig angelegtes altes Gebäude.
Im Innenhof stehen gewaltige Bäume. Von dort gibt es zwei breite
Stiegenaufgänge in den ersten Stock. Arkaden führen rundherum
und bieten Zutritt in die Zimmer. Unser Zimmer ist unheimlich gross, dazu
ein Vorraum und das Bad. Überall Steinboden, hohe Räume, massive
Holzjalousien an den Fenstern. Die Architektur vermittelt einen Eindruck
von Kühle. Dieser verschwindet, wenn man sich den Preis für
den Aufenthalt in dem Gemäuer vor Augen hält.
In der Nacht Mosquitos im Zimmer.
Donnerstag 02 Juli
Frühmorgens auf der Suche nach einem billigeren Hotel. Fahre stadtauswärts
Richtung Lido, weil ich dort ein Hotel vermute, was sich aber als Schule
herausstellt. Gehe also wieder zurück und beim roundabout vor dem
alten Hafen lacht der Herr Malik, den wir in Nairobi kennengelernt haben,
aus einem dunkelblauen Toyota Land Cruiser. Fahre mit ihm zu UNDP am Ende
des Lido, dann noch woanders hin und schliesslich bringt er mich ins Hotel
zurück. Wir verabreden uns bei ihm am Abend.
Spazieren dann Richtung Markt, wo auch einige Hotels zu finden sind. Ausschliesslich
miese Buden mit engen Stiegenhäusern. Das Hotel Super lassen wir
gleich rechts liegen. Eine mehrstöckige, marktnahe Bleibe, die ohnehin
ziemlich belegt ist. Ein Stück weiter ein kleines Hotel mit offenem
Stiegenaufgang und einer Terrasse. Leider full. Im Hotel Alto Jubba finden
wir im zweiten Stock ein kleines Zimmer mit einem schmalen Balkon, der
über die gesamte Fassade des Gebäudes führt, aber nur von
diesem Zimmer durch eine Tür betreten werden kann. Vier Betten zu
je 80 Sh stehen knapp nebeneinander. Wir nehemn alle. Eine Hose eines
früheren oder noch präsenten Gastes wird entfernt. Wir holen
das Gepäck, wir schleppen es, weil die Taxilenker 500 Sh verlangen
für das kurze Stück. Sehen dann, dass es mit dem Auto wahrscheinlich
dreimal so lange gedauert hätte. Die Strasse zum Markt ist voll mit
Händlern. Textilien und alles mögliche billige Zeug wird angeboten
nebst Samsonite Koffer. Am Markt selbst herrscht ein irres Gedränge,
danach, ein Stück weiter sind jede Menge Menschen auf der Strasse.
Schuhputzer, Kinder. Vorbei an zwei Tankstellen, wo die Autos Schlange
stehen. Sompet, mit dem Leoparden als Logo. Endlich erreichen wir den
finsteren Eingang in einer kurzen Seitengasse, die reception bzw das Wachzimmer
im Parterre ist noch finsterer und das Stiegenhaus ist so schmal, dass
es sich erübrigt, es als Einbahn zu erklären. Das Zimmer ist
inzwischen mit Diesel eingepinselt worden. Der Boden aus nicht ganz feinem
Beton, erlangt so das Aussehen einer Reparaturwerkstätte. Leider
kann man das Gepäck nicht mehr auf den Boden stellen. Franziskas
Vorhaben auf die Betten zu klettern und dann wieder im Zimmer herumzuwandern,
ergibt für uns ein Problem.
Kaufe von einem Strassenhändler ein paar rosarote Grapefruit und
kleine Bananen.
Entferne die Schaumgummi Matratzen und ruhen ein wenig auf dem Drahtgeflecht,
dem staubigen, wie schon in Luugh. Mein Leintuch noch voller Gentaine
Violet Flecken. Schliesslich Aufbruch zu Herrn Malik. Vor dem Hotel Croce
del Sud treffen wir zufällig Eileen. Sie ist Gast bei den Consolata
Sisters und versucht, das mit Spendengeldern angekaufte, jedoch vom Militär
confiszierte Fahrzeug los zu bekommen. Kommen am Hotel Shebeeli vorbei
und fragen gewohnheitsmässig nach einem Zimmer. Full.
Malik erwartet uns in einer herrlichen Wohnung im ersten Stock. Stiegenaufgang
im Freien. Seine Frau serviert Tee. Er informiert uns gleich über
die neuen Währungsbestimmungen. Deklarieren des Geldes bei der Einreise,
Wechseln auf der Bank, Kontrollen bei der Ausreise. Später fährt
er uns durch die Stadt, Richtung km4. Es gibt eine zweispurige Strasse
in der Stadt. Die wichtigsten Kreuzungen darauf sind nach Kilometer Entfernung
benannt. Wir fragen wieder in diversen Hotels nach einem Zimmer. Full.
Zuerst bringt uns Nisar Malik in ein Hotel, wo er selbst einmal gewohnt
hat, dann fragen wir im Hotel Oxford, etwas weiter entfernt, erneut im
Hotel Red Sea und im Hotel Afrikan, weit weg vom Schuss. Sodann fährt
er uns in eine Gegend, wo man nicht so leicht hinkommt. Hotel Djabuti,
eine miese ebenerdige Bude, wo wir erst gar nicht fragen. Zurück
ins Centrum. In der Nähe des Red Sea Hotels verspricht man uns in
einem relativ neuen Hotel, Morgen ein Zimmer zu reservieren. Weiter fährt
Nisar die leicht ansteigende Strasse, von wo man einen Ausblick auf das
Meer hat. Leider gibt es dort keine Hotels. Bedrängen Nisar mit unserem
Wunsch, das Meer sehen zu wollen, worauf er runter Richtung Hafen und
entlang der Küste durch die Altstadt braust, vorbei an British Embassy,
durch die Via Roma, Hotel Coruba, bis hart an die Hafenmauer, dann scharf
links leicht bergauf und die Via Lido quert. Hotel Dalhsan. Ich frage
nach einem Zimmer. Ein Herr spricht sehr gut english und zeigt mir eines.
Nisar Malik kommt kurz darauf nach. Jemand anderer mischt sich ein, das
Zimmer ist plötzlich schon vergeben. Nisar aber verspricht, dass
wir zwei Monate bleiben und setzt sich auf das Bett. Dem Herrn mit den
EnglishKenntnissen ist es peinlich, uns das Zimmer jetzt nicht zu geben
und so bekommen wir es doch.
Nisar fährt uns noch in das Hotel Alto Jubba, wo unser Gepäck
auf den Betten steht. Wir schleppen es das enge Stiegenhaus hinunter.
Ich bezahle für eine Nacht und er fährt uns zurück in unsere
neue Unterkunft.
In diesem Hotel wohnen offenbar nur Männer, die ausschliesslich in
frischgebügelter Kleidung das Haus verlassen.
Freitag 03 Juli
Die Betten sind leider auch vom durchhängenden Drahtgeflecht Typus.
Kein Mosquito im Zimmer. Ein kräftiger Wind weht ums Haus. Nisar
holt uns mit dem Wagen ab und wir fahren mit ihm stadtauswärts, vorbei
an British Embassy, Kadettenschule, Hafen, Flugfeld und Kraftwerk zu einer
raffinerie, wo er cooking gas abholt. Passieren eine Baustelle, wo Windräder
aufgestellt werden. Vorbei an Eseln und geradewegs zu auf eine jugendliche
Dreierbande, die einen Notfall inszeniert. Einer liegt auf der Strasse,
die anderen fuchteln mit den Händen. Den Liegenden verlässt
aber schon lange vor unserem Eintreffen der Mut, er springt auf und rennt
davon.
Im Dorf Gesira fahren wir zum Meer. Ein breiter Strand von hellem Sand.
Ideal zum Laufen, weil er ganz hart ist. Das Wasser ist warm und es bläst
ein kräftiger Wind. Einige Strandbesucher stehen im Wasser, andere
spielen Fussball. Franzis will unbedingt gleich ins Wasser. Wate mit ihr
ins tiefere Wasser hinaus. In der Nähe befindet sich ein Restaurant
und runde, gemauerte Hütten. Möglicherweise sind die einst vermietet
worden. Jetzt steht das ganze Ensemble leer und verlassen da. Wir spazieren
ins nahe Dorf und finden dort nach längerer Suche ein gastliches
Haus, wo man uns ungesüssten, scharfen Kaffee anbietet und gekochte
Maiskörner und Bohnen mit Öl. Von Gesira aus gehen wir noch
zu einem anderen Strand, wo mehrere Gebäude stehen und Strandverkäufer
unterwegs sind. Ein original antiker Somali Dolch mit Elfenbeingriff und
Silberknauf wird uns angeboten. 2500 Sh. Um 1000 hätte ich ihn beim
Weggehen noch kaufen können. Leider habe ich nur 200 Sh eingesteckt.
Zurück zum Auto. Darin kocht es, auch noch während der Fahrt.
Dazu der wilde Wind. Heide wird im Laufe des Nachmittags krank. Fieber,
Gliederschmerzen, Kopfweh.
Samstag 04 Juli
Sonntag 05 Juli
Francis schläft nach dem Frühstück wieder ein. Besuchen
später einen Markt. Danach schläft sie wieder.
Treffe vor dem Croce del Sud auf einen Händler. Er hält eine
silbrige Aladin Wunderlampe in der Hand und verschiedene, schwere Münzen.
Darunter eine aus Äthiopien, eine aus Eritrea, eine zeigt Mussolini
und eine one Dollar Münze für die er 2500 Sh will. Biete 500.
Das reicht aber nicht.
Am Abend bringt uns Ernst von Caritas Somalia in den Anglo American Beach
Club. Dort schläft Franzis wieder ein. Wir verbringen den Abend mit
expatriate residents. Arno, ein junger, kräftiger Mann aus Deutschland
arbeitet an einem Brunnen Projekt, Heiner, auch ein Deutscher, hat etwas
mit Somali Air zu tun und Alex lässt electronische Anlagen in Nigerianische
Botschaften einbauen. Damit ist er hier schon längst fertig, er wartet
bloss noch auf einen Mann aus Lagos, aber der kommt nicht. Die Nigerianer
aber bezahlen ihm 600 $ pro Tag
.
Montag 06 Juli
Angeblich wird heute unser Zimmer ausgemalt. Wir packen unsere Sachen
zusammen und ich realisiere, wenn auch nur kurz, dass ich eine Menge Zeug
in Ostafrika herumschleppe. Einen Daunenschlafsack in den eine Trompete
gewickelt ist, die ich aber nie spiele. Ein Hemd aus Beständen der
österreichischen Gendarmerie, die Winterausführung. Eine lange
und eine kurze Hose aus viel zu dickem Stoff. Hierorts völlig unbrauchbar.
Zwei Unterhemden. Nie verwendet. Mindestens ein Viertelkilo Hartgeld aus
verschiedenen Ländern. Eine Packung Kenya Tea, selbstgesammeltes
Salz von Felsen der Insel Ios, Cyclades. Ein vollgestopftes Portemonnaie,
umfangreiche Papierbestände. Und nicht zuletzt Kleidungstücke
von Franzis. Wollpullover, Strumpfhosen, blue jean. Hinfort mit all dem
Krempel.
Der Maler kommt anscheins nicht. Franzis arbeitet mit Papier und Kugelschreiber,
insofern, dass sie letzteren einwickelt. Heide liest in einem trade directory
von vor ein paar Jahren. Unser Zimmer ist für hiesige Verhältnisse
direkt übermöbliert. Neben den Betten mit durchhängender
Drahtnetzbespannung steht ein Nachtkästchen, weiters ein Kleiderkasten,
ein Tisch, ein niedriger länglicher Tisch und ein Schreibtisch ähnliches
Möbelstück. Der Preis für das Zimmer ist angeblich moderat,
wenn ich mich nicht verhört habe in der Hektik der Geschäftsabwicklung.
Im Parterre befindet sich ein Restaurant, aus dem kräftiges Gemurmel
und Geräusche in den ersten Stock dringen. Das Lokal ist grosszügig
angelegt. Überall Steinboden, Terrazzo, grosse runde Tische, zwei
weitoffene Türen hinaus auf eine kleine Terrasse, von der man aufs
Meer sieht. Die Strasse vor dem Hotel führt leicht abwärts zu
einer Hafenmauer. Ins Meer hinaus führt eine Mole mit einem kleinen
Leuchturm am Ende.
Vom Restaurant erreicht man über eine Terrazzo Stiege ein geräumiges
Vorhaus im ersten Stock, ausgestattet mit Polstermöbelgarnitur, Telefonanschluss
und Kühlschrank sowie einer schmalen Terasse mit Blick auf den alten
Hafen und das offene Meer. Das Fenster in unserem Zimmer öffnet sich
auf die entgegengesetzte Seite, nach West oder Südwest. Auf alle
Fälle hören wir zu nachtschlafener Zeit wohl schon die Cassettenrecorder
von den Minaretts. Dazu den Hahn von unterm Fenster. Das seltsame Tier
kräht auch unter Tags sehr ausdauernd. Tagelang ist auch ein Schaf
von traurigem Geblöke zu vernehmen. Eines von jenen armen Tieren,
die abrupt von Artgenossen getrennt werden, mit denen sie gerade eine
schöne Zeit verbringen, nun aber mit dem Eintreffen des Schächters
rechnen müssen. Möglicherweise handelt es sich jeden Morgen
um ein anderes Tier. Im Haus ist schliesslich ein Restaurant.
Nicht genug damit wird Heide von einem harten Husten heimgesucht, der
immer wieder versucht, den Engnissen der Bronchien zu entfliehen. Ein
Geräusch, das dem Zerren eines sperrigen Stück Eisens durch
eine enge Öffnung ähnlich sein kann. Wie auch immer, der Husten
ist hoffentlich der Ausklang einer Grippe, an der sie die letzten Tage
darniederliegt. Ständig werden wir von neuen Krankheiten heimgesucht.
Franzis hat einen katastrophalen Ausschlag an Hals und Stirn. Deprimierend
anzuschauen. Trotzdem ist sie guter Dinge oder auch nicht.
Spazieren zum Hotel Croce del Sud. Davor treffe ich wieder den Händler
von gestern. Heide und Franzis besuchen das Restaurant im Innenhof. Biete
für die one Dollar Münze 1000 Sh, obwohl ich nur 600 eingesteckt
habe. Der Mann will 15, 14, 13 12, 11 Hundert. Schliesslich 1000, da bin
ich aber schon auf dem Weg in den Innenhof.
Hin und wieder fährt eine Windböe durch die exotischen Baumriesen,
die den Schatten spenden. Wir bestellen spinach pie with tomato sauce,
rice balls with cheese, arancini di riso al formaggio, flan di spinaci
al pomodoro. Dazu insalata misto und torta alla frutta. Ich koste bloss,
weil ich schon im Hotel Dalsan scharfes Rindfleisch mit Sauce, Brötchen
und eine Flasche Camel milk konsumiert habe. Franzis wollte schon dort
unbedingt mitessen, sie hat die Gabel in der Hand gehalten samt einer
Ladung Fleisch mit Sauce darauf. Plötzlich hat sie gemerkt, dass
es scharf ist. Es hat sie kurz geschüttelt, das Besteck ist ihr aus
der Hand gefallen, die Sauce ist am Kleid geklebt, das Fleisch am Boden
gelegen. Jetzt stochert sie an ihren gekrusteten Reisknödeln. Sie
isst so wenig. Am Tisch steht ein kleiner Teller mit nahezu einem Dutzend
Limonenhälften, very green, die durchschnittenen Kerne schauen ins
Freie.
Fahre mit Franzis zur American Embassy, welche unweit gelegen. Dort erfragen
wir die Adresse der Embassy of Djibouti. Liegt am Ende des Lido. Versuchen
per autostop dorthin zu gelangen. Ein finnischer Ingenieur nimmt uns mit.
Er arbeitet an einem tuberculosis project, wir haben ihn schon einmal
im anglo american beach club gesehen. Vom Ende des Lido ist es nicht mehr
weit zur Botschaft, vorbei am UNDP headquarter und an feudalen Villen.
Dazwischen der Geruch von brennendem oder glosendem Kunststoff. In der
Mitte einer Kreuzung lagernde Ziegen, die den dort befindlichen Müllhaufen
besuchen.
Die Somalis führen einen verzweifelten Kampf gegen viele Fliegen.
Im Restaurant des Hotels wird mit Akribie geputzt und poliert. Wenn alles
sauber ist, wird der Steinboden, die Tische, die Bar und weiss der Geier
was noch alles mit Diesel aus einer Sprühpistole eingelassen. Selbst
die Fliesen im Waschraum und in der Toilette. Möglicherweise werden
diese Creaturen schon dieselresistent. Im kleinen Bereich wird verheerend
aufwendig gearbeitet, einige Meter entfernt auf der Strasse liegt bereits
der erste Müllhaufen. Wo es geht wird der Abfall über die Hafenmauer
geschmissen. Einmal zuviel bin ich schon auf die Hafenmauer in der Nähe
des Hotels zugesteuert, in Erwartung der würzigen Seeluft. Dahinter
erstaunten, im Abfall suchenden, ausgemergelten Katzen in die Augen geblickt.
Unangenehmster Geruch, organischer Abfall, Kunststoff, Blechdosen. Die
ganze Stadt ist gepflastert mit plattgedrückten, verrostenden Dosen,
Kunststofffragmente hängen in den Bäumen. Dies besonders auch
in der Nähe der Embassy of Djibouti, die wir gerade aufsuchen. Der
Sekretär, ein offensichtlicher Ignorant, fordert uns auf zu warten.
Die Vorzimmerdame spricht bloss französisch, verdeutlicht mir aber
schon, dass für ein Visum ein Flugticket erforderlich ist. Der Herr
Sekretär empfängt noch mehrere Personen, uns lässt er warten,
dann verschwindet er wieder in seinem Büro. Ich klopfe endlich die
Türe zu Späne und trete ein. Er beruft sich auf Vorschriften
und schmeisst mich hinaus. Gehe einen Stock höher ins Büro des
Konsuls. Seine Sekretärin erklärt mir, dass er nicht zu sprechen
ist. Visa werden im übrigen nur ausgestellt, wenn die Anreise mit
dem Flugzeug erfolgt. Bei der Einreise über den Landweg, wird das
Visum an der Grenze ausgestellt.
Zurück in die Stadt den Strand entlang. Gleich zu Beginn ein Treffpunkt
von Italienern, ein Club. Dann leere oder verschlossene Gebäude mit
Terrassen. Am Strand tote Katzen, Dosen, Scherben, ausgehöhlte GrapefruitHälften.
Zwischen zwei Gebäuden hindurch zur Strasse. Auch dort Scherben.
Zurück ins Hotel Dahlsan. Siesta. Die Lautsprecher von den Minaretts
verbreiten den Koran durch die Lüfte. Im Vorhaus das Rumoren des
Malers. Vom Meer her ein kurzes Konzert von Nebelhörnern. Der Hahn
vor unserem Fenster hält sich zurück.
Letzte Nacht mit einem Mosquito verbracht. Die Decke des Zimmers ist so
rauh verputzt, dass man die Bestien kaum sieht. Einige Fliegen lauern
schon, unsere Mittagsruhe zu sabotieren.
Am Abend im Centre Culturel Francais. Ein Film von Eric Rohmer, La Collectioneuse,
1967. Der Vorführer scheint taub zu sein. Im Film wird sehr viel
gesprochen, nahezu ununterbrochen. Das reinste Hörspiel. OmU in english.
Niemand von den Besuchern kennengelernt.
Im Hotel mit anderen Hotelgästen beisammen gesessen. Der Besitzer
spricht deutsch und english und kommt aus Hargeisa einer Stadt im Norden.
Die anderen sind offenbar mit ihm oder sonstwie verwandt, anscheins auch
vermögend und einflussreich. Irrtum vorbehalten. Einer der Herren
war dort und da DC (District Commissioner). The first DC of Belet Hawo.
Dann Governor von mehreren verschiedenen Regionen unter anderem von Kismayo,
einer Stadt am Meer in der Nähe der Grenze zu Kenya. Jetzt ist er
der Chef der Polizeikadettenschule. Der Hotelbesitzer selbst besitzt ein
weiteres Geschäft unweit und einer der Männer war MP (member
of parliament). Einer seiner Söhne ist auch kurz anwesend. Ein dritter
nur zu Besuch, er arbeitet in Saudi Arabien oder in Dahran. Alle sprechen
sehr gut english und führen gerne long distance calls.
Dienstag 07 Juli
Franzis fängt in der Nacht an wie ein Backofen zu glühen. Behandeln
das Fieber mit Belladonna Globuli. Da sie nicht die Symptome einer Verkühlung
zeigt, sind wir im Ungewissen. Ist es vielleicht Malaria?
Am Morgen bewölkt, irgendwie drückend, zeitweise regnet es ein
wenig. Ein wenig zerknittert von den unfreiwilligen nächtlichen Aktivitäten.
Unter dem Zimmerfenster hämmert jemand an einem Autowrack herum.
Danach kommt ein halbes Dutzend Kinder und probt in den Wrackteilen ein
Theaterstück oder den Aufstand, unterbrochen von Verscheuchungsversuchen
eines Erwachsenen. Franzis isst nicht viel, dafür aber einigermassen
unleidlich. Wir tragen sie meist herum. Durch das Haus pfeift der Wind.
Schleppen uns ein wenig durch die Gegend in der Nähe des Hotels.
Bereits am frühen Nachmittag aber liegen wir wieder auf den Betten.
Heide schläft, Franzis grinst mich an, sie ist die ganze Zeit auf
den Füssen und nicht müde. Offenbar erholt sie sich bereits
wieder.
Von unfern knattert ein Nachrichtenjournal und bei
unserem Fenster herein. Kämpfe mit Mattigkeit. Ein Kaffee wird die
Rettung sein, noch dazu wo es doch hier so viele italienische Kaffeemaschinen
gibt. Warum bin ich bloss heute so erledigt, und das am Abend, der angenehmsten
Tageszeit hierorts. Der Himmel ist weiterhin bewölkt. Durch das Fenster
sehe ich zwischen einer Moschee und einem profanen Gebäude einen
kleinen Ausschnitt vom Meer. Kein Schiff fährt dort gerade vorbei.
Die Kinder sind schon wieder in dem Autowrack und fahren den verrosteten
Schrott noch weiter zusammen. Raffe mich endlich auf und spaziere noch
bis in die Nähe des Hotel Coruba. Die Neonröhren des Schriftzuges
funktionieren nur noch teilweise, was der Bude einen ziemlich desolaten
Anschein verleiht.
Mittwoch 8 Juli
Streifen durch Geschäfte. Besuchen einen Goldschmied und lassen uns
Ohrgehänge zeigen und in die Hand legen. Muss Gold sein, denn es
ist schwer. Der Besitzer legt die Schmuckstücke dann auf die Waage.
Der Preis 32000 Sh. Nur weiss ich nicht mehr, wie schwer sie waren. Rasten
schliesslich im Innenhof des Hotels Croce del Sud. Franzis verdurstet
beinahe. Händewaschen in der Toilette ist nicht ungefährlich,
ein Ventilator, 30 cm entfernt an der Wand, bläst direkt auf den
Kopf. Wir bestellen gebackenen Fisch. Dazu kommt Mayonnaise, nicht besonders
originell, bloss insofern, dass diese unverrottbare Schmiere wohl tausende
Kilometer transportiert worden ist.
Am Abend wieder im Kino im Centre Culturelle Francais. Eric Rohmer: Le
Genou de Claire, 1970. Wieder ein Film in dem unheimlich viel geredet
wird und auch sonst noch einige Peinlichkeiten vorkommen. Während
des Films regnet es zweimal. Kaum ist der Film zu Ende, verschwinden alle
Besucher spurlos.
Donnerstag 9 Juli
Frühstücken gegenüber der amerikanischen Botschaft, die
nach KM 4 gelegen ist, also einige km vom Centrum entfernt. Bestelle Mufo's,
das sind viel zu dicke, Chapati ähnliche Fladen. Im Inneren sind
sie teigig und leicht angegoren. Dazu goat soup und natürlich Tee.
Serviert als süsse, ungeniessbare Brühe. Franzis isst nichts,
dafür zerkratzt sie sich ihren Ausschlag.
Besuchen den Markt und kaufen ein KunststoffMosquitonetz. Made in Taiwan.
Erforschen den Markt, vom Gemüse bis zum Obst, im Morast versinkend,
da in der Morgendämmerung ein heftiger Regen niedergegangen ist.
Ein Fleischmarkt befindet sich ebenfalls dort. Die vielen Fliegen finden
offenbar nicht genug Platz auf den Fleischstücken und setzen sich
dann auch auf Obst und Gemüse. In den Pawlatschen, die zum Teil schon
eingefallen oder am Zusammenfallen sind, den Tuchlauben, werden die Tücher
verkauft, die sich Männer wie Frauen einfach um die Hüfte wickeln.
Weiters Myrrhe, Weihrauch, verschiedene Arten von Henna und unbekannte
Duftsubstanzen in Form von Rinden mit Harz, Stein ähnliche Brocken,
kleines, kugelförmiges Material. Ein Stück weiter wird der Koran
verkauft. Das Buch ist so heilig, dass man nichts darauflegen darf, auch
nicht partiell.
Das Geschäft eines Gold- und Silberschmieds besucht. Er wiegt meine
One Dollar Münze ab. 22,7 gr Silber.
Nach dem Aufenthalt im Croce del Sud laufe ich wieder dem Mann mit dem
Stab über den Weg und kaufe ihm zwei Münzen ab: ein Maria TheresienThaler
und eine ähnlich grosse äthiopische Münze mit dem Bild
von Menelik.
Freitag 10 Juli
Aufbruch zum Frühstück. Die Eltern trödeln so lange herum
bis das Kind Franzis bereits entnervt ist und sich seinen Ausschlag zerkratzt.
Geschwächt bis zur Unfähigkeit das sich anbahnende Elend zu
verhindern, fallen wir auf die Betten zurück. So wird es Mittag.
Franzis schläft ein. Auch sie ist parterre. Kaum legt man sie aufs
Bett, schläft sie auch schon weg. Wie immer um diese Zeit, knattert
ein Radio so etwas ähnliches wie ein Nachrichtenjournal. In der Strasse
vor dem Hotel fährt wieder dieser Bus vorbei, der den Auspufftopf
verloren hat. Entsetzlich das Geräusch unzähliger kleiner Explosionen
in kurzen Abständen, das in noch kürzerer Zeit enorm anschwellen
kann. Vis a vis gibt es ausserdem eine Mühle. Wenn sie in Betrieb
genommen wir, schwingt das gesamte Hotel in dumpfer Agonie.
Verlassen das Hotel und fahren autostop an den Strand im Norden der Stadt,
genannt Lido. Unzählige Einwohner befinden sich auf dem weissen Sand
und spielen Fussball, denn heute ist Freitag das ist wie Sonntag bei den
Christen. Auch hier wird nicht zum Spass hinter dem Ball hergelaufen.
Obwohl ich nur kurz an einem versprengten Ball bin, sind einige der Spieler
gleich ziemlich ungehalten. Lernen am Strand Gail, Mario und Stefano kennen.
Geo kommt aus Minnesota und ist schon vor neun Jahren nach central afrique
gekommen. Mario ist in Asmara geboren. Sein Vater stammt aus Perrugia.
Seine Schwestern sind wieder nach Italien zurückgekehrt. Stefano
ist ungefähr zwei Jahre alt und borgt Franzis sein Dreirad. Das Haus
von Gail und Mario ist sehr geräumig, da spärlich eingerichtet.
Die Fenster sorgfältig mit Fliegengittern abgesichert. Alle Fussböden
aus Kacheln. Das wirkt kühl. Zurück zum Strand und zum Anglo
American BeachClub. In der Nähe ein Souvenir Geschäft. Der junge
Verkäufer spricht deutsch und english und in seiner Vitrine befindet
sich eine One Dollar Münze. Er sagt, es handelt sich um eine Fälschung,
in Napoli hergestellt, und bietet sie mir um 500 Sh an. Er kennt auch
den Händler, der mir diese Münze vor dem Croce del Sud ums Doppelte
verkauft hat, auf Grund meiner Beschreibung. Priesterliches Auftreten,
kleines Kunstofftäschchen, Stoffmütze, Stab, schmaler Bart von
den Ohren bis zum Kinn.
Zurück in die Stadt bringt uns eine finnische Familie mit Schwiegermutter.
Im Hotel fallen wir gleich auf die Betten und in Ohnmacht. Später
taucht unser pakistanischer Bekannter Nisar auf, in Sonntagskleidung.
Blütenweisse, leichte Hose und ebensolches knielanges Hemd. Er fährt
heute nach Belet Weyn und bietet uns an mitzufahren. Wir müssen leider
dankend ablehnen.
Samstag 11 Juli
Beim Abendessen Gespräch mit einem Professor für politische
Wissenschaften aus Hamburg. Er versucht die Auswirkungen des letzten Krieges
zu untersuchen. Im besonderen das Flüchtlingsproblem. Er sagt, Äthiopien
war damals von inneren Unruhen erschüttert, sodass die Somali eine
günstige Gelegenheit gesehen haben. Die USA haben Äthiopien
unterstützt, die Sowjetunion Somalia. Das hat sich in der Folge geändert.
Jetzt regiert in Addis Abeba eine Einheitspartei nach sowjetischem Muster.
Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Eriträer werden von der
Regierung keinesfalls geduldet werden.
Eine verheerende Dürre im Norden ist ein weiterer Grund für
Flüchtlinge.
Sonntag 12 Juli
Franzis kämpft sich in ihre Hose hinein, nicht ohne Seitenblicke
in den Spiegel zu werfen. Ein solcher kann auch Folgen haben. Wenn das
Vorhaben nicht gelingt und sie zu weinen anfängt, tut sie das dann
länger, bloss um sich im Spiegel in dieser tragischen Pose zu sehen.
Inshallah.
Es ist bereits 10:00 Uhr. Was habe ich heute schon getan? Nichts. Das
erste mal wach bin ich in der Morgendämmerung oder kurz danach. Leider
stehe ich nicht auf, sondern denke mir, es ist doch viel zu früh
und falle wieder zurück und in eine weitere Ohnmacht. Der anschliessende
Schlaf ist ein schwächender, der mich als lebenden Leichnam auferstehen
lässt.
Giuliana und Guido kommen zu Besuch. Sie versuchen ein Zimmer im Hotel
zu bekommen. Guido ist Professor für arabische Sprachen. Er will
Somali lernen. Was Giuliana macht, weiss ich nicht, jedenfalls ist sie
sehr herzlich. Einmal als Franzis beim Essen im Croce del Sud mitsamt
dem Sessel umfällt, ist sie gleich da und tröstet Franzis.
Samstag 11 Juli
Lagern in der Lounge des Hotels, weil im Zimmer geputzt wird. Das feudale
Polstermobilar dort ist mit Vorsicht zu geniessen, weil man ob der Hitze
darin zu verschmoren droht.
Völlig geschwächt liege ich auch heute bloss am Bett herum.
Selbst das ist anstrengend. Ich atme wie ein Fieberkranker, obwohl ich
das nicht bin. Selbst der kurze Gang ins Badezimmer, treibt mir den Schweiss
auf die Stirn. Dazu Appetitlosigkeit, nicht einmal Gusto nach den kleinen
Bananen. Vor Tee mit Milch habe ich direkt Angst.
Sonntag 12 Juli
Besuchen den österreichischen Konsul. Er residiert direkt im Centrum,
nahe der Kathedrale. Sein Büro ist übermässig air conditioned,
sodass wir beinahe erfrieren. Der Konsul ist angeblich ziemlich reich.
Er verspricht, der Visa Angelegenheit nachzugehen. Von einer Reise nach
Berbera rät er uns ab, da dort jetzt die heisseste Zeit ist und ein
heftiger Wind weht. September und Oktober sind idealer, wenn man davon
überhaupt sprechen kann. Unser Gepäck fühlt sich richtig
kalt an draussen.
Montag 13 Juli
Windstille Nacht. Heimtückische Biester im Zimmer und grausame Hitze.
Selbst das Leintuch ist noch zu viel. Bis in die Morgenstunden von Mosquitos
gequält, gemartert. Fasse endlich den Entschluss, das Netz aufzuspannen.
Zu einem Zeitpunkt, da eher Aufstehen bereits angebracht ist. Falle unterm
Netz wieder in Ohnmacht und erwache erst am mittleren Vormittag wieder.
Aus diesem Grund wieder matt und schlapp wie jeden Morgen seit Tagen.
Das nächste Stadium ist bereits der ewige Schlaf. Soeben fährt
wieder der LKW vorbei, der den Auspufftopf verloren hat. Ein satt prasselndes
Geräusch.
Zum Frühstück Weissbrot und Dosenbutter aus Kenya. Dieselbe
wird als feinste angepriesen, tatsächlich handelt es sich um eine
versalzene Schmiere, fernab von einem Gedanken von Butter. Das Mehl aus
dem die Brote sind, woher wird es wohl kommen?
Es ist überraschend bedeckt und regnet leicht. Unter unserem Fenster
wird ständig Lärm erzeugt. Ein Hühnervolk, das dort angesiedelt
ist, verhält sich kaum jemals ruhig. In der Nachbarschaft werden
Eisentore auf- und zugeschlagen. In der Nacht wird ausdauernd darauf gepocht.
Metalldeckel werden scheppernd auf Eigenbau Mülltonnen geschmissen.
Immer wieder wird auch eine elektrische Schleifmaschine in Betrieb genommen.
Dienstag 14 Juli
Stehe wieder viel zu spät auf, was verheerende Auswirkungen auf meinen
Gemütszustand zur Folge hat. Da es bereits gegen Mittag geht, wage
ich nicht das Haus zu verlassen, weil draussen die Sonne niederbrennt
und eine rege Geschäftigkeit herrscht. Unzählige männliche
Einwohner sitzen bereits auf den reichlich vorhandenen Sockeln vor Geschäften,
Magazinen und sonstigen Gebäuden herum. Derart verspätet habe
ich keine Lust an diesen Beobachtern vorbeizugehen, noch dazu wo ich gar
nicht weiss, wohin ich überhaupt gehen will. Im Hotel aber ist auch
der Bär los. Das Restaurant im Parterre erzeugt eine geschäftige
Athmosphäre durch Geklimper und Geklapper und Geplapper. So nebenbei
verirren sich auch eine Menge Gäste in den ersten Stock herauf, bloss
um in den Polstermöbeln zu sitzen? Die Putzfrau geistert im Zimmer
herum. Ich würde gerne aus der Haut fahren. Warum sind wir noch hier?
Wie kann auf Grund unzumutbarer Umstände, insbesondere infolge unzureichender
Ausrüstung, eine gravierende Schwerfälligkeit dahingehend transformiert
werden, nicht in eine hochprozentige Immobilität auszuwachsen, wenn
zumindest reziprok ohnehin Gültigkeit hat, geprellt zu sein oder
doch günstig zu leiden unter Geiern behufs, betreffs der Schlittenhundegespannwagenentführung
in einem Sahara City Hotel Bungalow zehn Minuten vor Beginn des bereits
laufenden VideoFilms mit Gottlieb Geisterreiter in einer legendären
Rolle der ortsumfahrenden Serie Gondeln und Grapefruits, gesponsert von
Schnurz und Blunzen, Gartengestaltung und Co KG, Kilogramm Company, Wasserhydrant,
Verkehrspolizist in NervengasNebelschwaden. Unterhosen mit Kunstsstoffwadeln.
Powidltaschen unter Pawlatschen bagatellisieren angesichts eines arabischen
Geschäftsmannes mit aufgefülltem Portemonnaie ein MayonnaiseEi
Haifischsteakbrot, das an Pinkertons security guards vorbei sich einem
streunenden Bettlerhund zu bewegt wie in einem vergriffenen Schundheftl,
in dem verschimmeltem Kaffeesatz oder gegebenenfalls grotesker Anspielungen
um die Neuvermählte, mit Import Export Geschäften erst unlängst
ins Gerede gekommenene Tochterfirma der Garbage Keeping and Transport
Enterprises, keine weitreichende Bedeutung zukommt, zumal auch der Sitz
der Firma mit dem blechern klingenden Namen Loukuma Beach Casino, sich
an einem windigen Standort in den unzugänglichen Dünen der Vorstadt
befinden soll, wohin sich gottlob der ungültige Vertrag verlaufen
hat, dem selbst die von Unseriosität und Unlauterkeit gebeutelte
Geschäftsleitung bereits keine Träne nachweint, im Gegenteil,
eine Peinlichkeit an sich, die in ihrer Bedeutung gleichsam mit dem Mann
von der Strasse operiert, der zufällig oder ausgemacht eine vollständige
Glatze trägt oder zumindest im Begriff ist, eine solche in absehbarer
Zeit über sich hereinbrechen zu lassen, was die Frage nach dem sprichwörtlichen
Kamm in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Mittwoch 15 Juli
Heute ist es noch nicht so spät. Es geht wieder aufwärts. Früher
auf als sonst und in better condition. Die Katzen kreischen vor dem Fenster.
Ein Cargo Boat nähert sich dem Hafen. Franzis kraxelt mit einem Butterbrot
im Bett herum. Ich gehe besser zur Post und hole Erkundigungen ein betreffs
Absendung eine Pakets. Am besten ich gehe gleich. Die Sonne brennt bereits
hernieder.
Später. Auf der Terrasse des Anglo American Beach
Clubs. Der Wind bläst und beinahe bekommen wir nichts zu essen. Schliesslich
schreibt uns ein finnischer Bekannter als Gäste ein. So strikt sind
diese seltsamen expatriats Clubs. Von der Terrasse des noblen Etablissements
blicken wir auf das grünblaue Meer. Einige einheimische Frauen stürzen
sich völlig bekleidet in das seichte Wasser. Boote liegen vor Anker.
Eine Frau steht auf der ersten Stufe einer Stiege, die zum Strand führt,
und entfaltet ein Tuch nach dem anderen.
Besuchen einige Souvenir Läden, craft shops, in der Nähe. Überall
werden ähnliche Halsketten aus Camel bone oder Hippo bone angeboten.
Sie kosten ein paar hundert Shilling. Weiters Ketten aus RosenquarzKugeln
um 1500 Sh. Perlenketten aus Tigermuscheln und Perlmuttermuscheln zum
selben Preis. Die Ketten sind angeblich aus Zaire. Andere Perlenketten
aus Jade, Granat, Türkis und Tigerauge kommen aus Italien. Das wiederum
vermindert meine Kauflust beträchtlich. Die geschnitzten Masken sind
alle aus Kenya, auch die Elefanten, Säbelantilopen, Giraffen und
sonstiges Grosswild, weiters die aus bunten Sisalschnüren geflochtenen
Korbtaschen, rundlich und robust mit solidem Lederriemen. Der Preis zwischen
1000 und 1500 Sh. Muscheln in ungeahnter Schönheit, Vielzahl und
Variation, leider sehr schwer. Haifischmäuler mit erschreckend scharfen
Zähnen in Reihen und davon gleich ein halbes Dutzend untereinander.
Wenn die obersten ausfallen, lauern schon die darunterliegenden. Vorsicht
beim Berühren ist geboten, weil sie so scharf sind. Zu den crafts
shops nimmt uns ein französischer Arzt mit. Er hat einen kürzlich
von einem Hai angefallenen Deutschen verarztet. Der Hai hat den Unterschenkel
des Mannes durchgebissen, auch den Knochen, falls ich richtig gehört
habe. Der Arzt sagte, dass es vor ein paar Jahren hier noch keine Haie
gegeben hat, sie kommen angeblich aus dem Mündungsgebiet des Sambesi.
Wie aber ist das zu verstehen. Eine andere Meinung ist, dass diese Monster
durch das Knattern der Schiffsmotoren in ihrer sensitiven Steuerung beeinflusst
werden, sodass sie immer mehr so werden wie das Exemplar, von dem die
Rede war. Wenn das stimmt, wird es über kurz oder lang nicht mehr
möglich sein, ohne Ritterrüstung im seichten Wasser herumzuwaten.
Zurück zu den craft shops, die auch noch Dolche und Säbel, Spazier-
und Offiziersstöcke, Brieföffner aus camel bone, Schildkrötenpanzer
verziert mit Langusten, Trommeln und Weihrauchtöpfe aus Meerschaum
anbieten. Sehr schöne geflochtene Körbe und andere Behältnisse
werden dort auch hergestellt. Natürlich von Frauen, die Männer
sitzen lieber herum und spielen Fuchs und Henne im Sand. Im letzten Geschäft
finden wir Ketten aus Amber, wie auch in anderen, jedenfalls betrachten
wir die dort länger. Der Verkäufer oder Besitzer führt
sie uns vor, er reibt die Perlen aneinander und lässt uns den angeblich
characteristischen Duft in die Nase strömen. Preis einer Kette etwa
6000 Sh. Er versichert, die Ketten den Frauen im Busch abzukaufen und
garantiert nur dann, wenn sie echt sind. Falls wir eine Kette kaufen,
und sie ist nicht echt, können wir sofort zu ihm zurückkommen
und den bezahlten Betrag in Empfang nehmen. Hin und her. In der Folge
bedrängt er mich gar sehr, Franziska stolpert inzwischen vor dem
Geschäft und macht sich ihre, von einem Strassenhändler zugesteckte,
Spielzeugtrompete kaputt. Das bereinigt er und schenkt ihr noch eine Tigermuschel
und einen geschnitzten Elephanten. Ich biete ihm für die Kette 2000
Sh. Er geht auf 5000 und 4500 Sh herunter und weil wir dann aber gehen,
will er sie mir auch um 2000 Sh geben. Da ich so eine Art von Handel nicht
verstehe, verlassen wir ihn ohne die Perlen, die ich ursprünglich
auch gar nicht kaufen wollte. Dem Verkäufer stehen selbst die Schweissperlen
auf der Stirn. Ich frage ihn noch, wie so ein Preisverfall zu verstehen
ist. Er sagt, I need the money today und wenn wir anderntags wiederkommen,
kann es sein, dass die Pelenkette wieder 6000 Sh kostet und keinen Sh
weniger. Inshallah.
Besuchen den österreichischen Honorarkonsul in seinem Kühlraum.
Er lässt uns nicht lange warten, leider aber, so sagt Herr Hussein,
hat er den Konsul von Djibouti noch nicht erreicht. Wir sollen morgen
wieder konmmen.
Heide bekommt im post office einen Brief aus Ö ausgehändigt.
Der Brief ist am 9. Juli abgestempelt worden. Im department Delivery and
Acceptance of parcels des post office erhalte ich die Information, dass
es kein sea mail gibt. Der senior office chief nennt sofort nach Bekanntgabe
der Destination des Pakets den österreichischen Präsidenten
beim Namen und erwähnt die früher und sogar jetzt noch in Umlauf
befindlichen Maria Theresien Thaler. Ein Flugpostpaket mit fünf Kilo
kostet 3600 Sh.
Donnerstag 16 Juli
Fahrt zur Botschaft des Jemen. Stehen in der Nähe des post office
herum und haben keine Ahnung, wo sich dieselbe befindet. Überlegen
und debattieren, ob wir wohl einen Bus nehmen, aber die sind gesteckt
voll. Nicht einmal gratis möchte ich gerne mitfahren. Ein Land Cruisers
bleibt stehen und die Besatzung bietet uns ihre Hilfe an. Sie bringen
uns bis zur Eingangstür der Botschaft. In der Konsularabteilung erfahren
wir, dass ein Empfehlungsschreiben für die Ausstellung der Visa notwendig
ist. Warum denn das nun wieder? Der Beamte ist sehr höflich und versichert
uns sein bestmögliches zu tun, dass die Visa bald ausgestellt werden.
Wir fahren zurück ins Centrum und besuchen Jirdeh Hussein in seinem
tiefgekühlten Büro. Sein offizielles Briefpapier ist so alt,
dass es beinahe zerfällt. Es hat hier in den letzten zehn Jahren
wahrscheinlich niemand ein offizielles Schreiben benötigt. Herr Hussein
soll sehr reich sein. Nisar behauptet, reicher als die Regierung.
Nach der Siesta immer noch im Hotel, obwohl wir mit
Nisar Ahmed Malik, den wir kurz vor Mittag zufällig treffen, um vier
Uhr verabredet sind. Ob er wohl noch auf uns wartet? Wir beabsichtigen
gemeinsam Juwelier Läden zu besuchen. Franziska schläft noch
immer. Schon im Croce del Sud macht sie sich, während wir versuchen,
uns mit Herrn Mathies zu unterhalten, unter einem Sessel ein Lager aus
zwei Pölstern.
Heide unterhält sich mit mir, sie erzählt mir etwas, ich schreibe
bloss diesen Satz, sonst fällt mir nichts ein. Franzis hat nach dem
Schlafen immer einen riesigen Durst, dass sie ein ganzes Glas Wasser auf
einmal austrinkt. Hier riecht es nach dem Inhalt einer ausgedrückten
Tube Euceta Gel oder aber nach der Seife unseres Zimmernachbarn, der heute
nach Jeddah abgereist ist. Im Zimmer wird gehustet. Von draussen hört
man die Trommeln der Regierungstruppen. Am hellichten afternoon sticht
mich in diesem Hotelzimmer ein Parasit in die Seite. Schon wieder spricht
jemand mit mir. Wie soll ich da meine Sinne beieinander behalten? Jetzt
öffnen meine Angehörigen die gestern angekaufte Kenya peanut
butter im Kunststoffbehälter.
Spazieren schliesslich zu den Arkaden, den halbverfallenen, nahe des Marktes.
In diesen Bogengängen sind die Geschäfte der Juweliere, ihre
Vitrinen und Werkstätten. In den Gängen spaziern die Frauen,
voll behängt mit Goldketten, Ohrschmuck und Ringen. Die Ringe hängen
natürlich nicht, aber der Himmel hängt auch nicht voller Geigen.
Hängt ihn höher ist bloss ein Filmtitel. Jedenfalls das viele
Gold. Die Frauen und das Gold. Die dunklen Gesichter mit diesem glänzenden
Geschmeide. Geschmiede. In den meisten Geschäften auf der einen Seite
der Vitrine nur Frauen auf der anderen ausschliesslich Männer. Das
Schmuckstück kommt auf die Goldwaage und wird nach Gramm verkauft.
Einundzwanzig karätiges Gold kostet 2500 sh, das sind 25 Dollar,
an der Bank vorbei gewechselt.
Besuchen unseren Freund Nisar. Die Kinder rasten irgendwie aus, kreischen
und kirren sodass im Gläserkasten der Gastgeber die dünnwandigen
Gefässe allesamt zerbröseln.
Am Abend im Hotel. Ein Zimmernachbar versucht zu telefonieren. Zahlreiche
hallo, die zu uns ins Zimmer dringen, lassen den Schluss auf Schwierigkeiten
bei der Übertragung zu.
Es kribbelt in meiner Hand in der Nähe des Schreibzeugs. Besser ich
lege mich ins Bett und verabschiede mich von diesem Tag. Heute drei Versuche
unternommen, eine postcard zu schreiben. Vergeblich. Wenn mir doch etwas
einfallen täte. Ich muss vielleicht Voraussetzungen schaffen, die
ermöglichen, dass etwas einfallen kann. Es muss etwas offen sein.
Die Heuschrecken fallen in Ägypten ein. Das Land ist für diesen
Scherz offen. Diese Meinung ist bestenfalls ein schlechter. Die Hunnen
fallen in der ungarischen Tiefebene ein. Die Deutschen fallen in Pommern
ein. Niemand ist darüber erfreut. In Wien fällt die Reichsbrücke
ein. Stare fallen in einen durch Böller ausreichend gesicherten Weingarten
ein. Ein Beben der Stärke sieben oder neun, der nach oben offenen
Mercali Skala, lässt Privathäuser, Schulen, Kirchen und Brücken
einfallen. Können bei einem Seebeben auch Hausboote einfallen? Das
Einfallen der Sonnenstrahlen. All diesen Einfällen scheint ein enormer
Druck von aussen gemeinsam zu sein. Ein Einfall in mein ausgetrocknetes
Gehirn scheint derzeit keine äussere Gewalt zu interessieren.
Freitag 17 Juli
Sitzen beim Frühstück in diesem geräumigen Restaurant,
wohin wir täglich mindestens einmal pilgern. Croce del Sud. Franzis
und ich, wir haben Dünnpfiff. Ein schlechter Scherz in dieser Zeit.
Warum das denn wohl. Dies deshalb, weil kaum genesen von einer vorangegangenen
Verstimmung, zumindest ich gleich wieder Fleisch, harte Eier, Erdnussbutter
etc hineinfressen muss. Zum Drüberstreuen noch einen gerösteten
Maiskolben vom Grill unter Alleebäumen.
Um zehn Uhr mit Nisar verabredet, mit dem wir nach Afgoi aufbrechen. Kommen
dort am Flusse Shebeli zur Plantage eines Grossgrundbesitzers, und weil
der Torposten gerade nicht da ist, fährt Nisar in das umzäunte,
abgesicherte Areal hinein. Moderne Gebäude, grosszügig angelegter
Empfangsbereich, riesige Mangobäume, Kokospalmen, Bananenstauden,
Somalistyle Mungus mit Klimaanlage, ein swimming pool ohne Wasser. Ein
Einheimischer erfreut uns mit frisch aufgeschlagenen Kokosnüssen,
aus denen wir den Saft saugen. Er zeigt uns auch wie man hinaufklettert,
die Nüsse pflückt und wie man heil wieder herunterkommt. Die
Plantage gehört laut Nisar dem oder einem Scheich von Kuwait.
Nach dem Ausflug mit Nisar wieder in der Stadt im Hotelzimmer. Ziemlich
fertig fallen wir in das Siestabett und in Ohnmacht. Kurz darauf besucht
uns Sister Eileen und holt uns zurück ins Bewusstsein. Im anschliessenden
Gespräch machen wir gewiss einen verträumten Eindruck. Franzis
und Heide begleiten Eileen noch bis zur Stiege, kehren aber auch nach
einer Stunde nicht zurück. Ich rätsle, was wohl aus ihnen geworden
ist. Haben sie sich traumverloren im Haus verirrt? Hat sie jemand aus
dem Haus gelockt und in eine finstere Gasse verschleppt, wo ihnen ein
orthodoxer Muslim aus dem Koran vorliest?
Samstag 18 Juli
Früher Vormittag, der Himmel ist noch bedeckt, was man hier unter
Schönwetter versteht. Die Sonne ist ja eher eine Belastung bis Bedrohung
in diesen Breiten. Hoffentlich schaffen wir es bald ans Meer, wo wir weiter
hoffen dürfen, dass dort eine angenehme Ruhe sein wird und wir einem
unbeschwerten Müssiggang anheimfallen können.
Es regnet. Vielleicht soll ich zur Post gehen, nur um einer Aktivität
willen, weil es sonst leichtens passiert, dass ich einen Rückfall
erleide. Klarerweise ins Bett.
Besuchen Ernst von Caritas Somalia. Beabsichtige in seiner Küche
Reis zu kochen, aus diätetischen Gründen. Der Reis ist von mieser
Qualität, zum Teil zerbrochen, voller schwarzer Körner und heimtückischem
Quarzsand. Die schwarzen Körner werden beim Kochen wahrscheinlich
zu einem schwarzen Batzen Dreck, der so ähnlich wie Mäusescheisse
schmecken dürfte. Leider vergesse ich den sorgfältig sortierten
Reis zu waschen. Das Gericht schmeckt deshalb grauenhaft bitter nach Sackstaub.
Zur Buße schaufle ich ordentlich davon in mich hinein.
Alex, der Bierbauch mit dem Franz-Josefs Bart ist auch zu Gast. Er ist
tief deprimiert auf seine Art, weil er jemanden erwartet, der dann aber
nicht im Flugzeug ist. Ein Mann aus Deutschland, den er schon sehnsüchtig
aber nicht ohne Hintergedanken herbeisehnt. Alex schildert sein Verweilen
am Flughafen, die Rückfahrt zum Hotel, das Telefonat mit Deutschland,
das erneute Fahren zum Flugplatz, denn der Mann ist tatsächlich abgereist.
München, Frankfurt, Rom, Kairo. Dort werden einige Passagiere aus
der Maschine geholt, erfährt er von einem deutschen Arzt, der in
Kairo eingecheckt ist. Konfusion, Security, Terrorhysterie. Die beiden
bärtigen Bierfreunde studieren sodann Flugpläne und begeben
sich in das nahegelegene Lufthansa Büro. Alex erzählt uns auch
eine Geschichte aus Lagos. Für einen General des Nachrichtenwesens
bestellt er einen Mercedes 280, die Tropenausführung. Acht Monate
Wartefrist. Als der Wagen abholbereit ist, ist der General jedoch nicht
mehr in Amt und Würden. Der Autohändler aber teilt Alex mit,
dass er von diesen Zusammenhängen gar nichts wissen will, und er
das Auto besser bald abholen soll. Daraufhin inseriert Alex das Auto und
wird mit Angeboten überhäuft. Als er das bezahlte Auto schliesslich
abholen will, rückt der Händler es nicht heraus, sondern tritt
vom Vertrag zurück, von wegen zu langer Wartezeit. Alex aber hat
einen Käufer mit, welcher auch den Kaufpreis in bar bei sich hat.
Dieser Käufer, ein junger Mann, hatte das Auto bereits nach Arabien
weiterverkauft und den Gewinn bereits ausgegeben oder ähnlich.
In einem anderen Gespräch geht es darum, dass viele expatriats ihren
Vorgesetzten Geldbeträge zukommen lassen müssen, damit diese
ihre Verträge verlängern.
Entwurf für eine postcard:
Schon wieder halten wir uns im kolonial-feudalen Hotel Croce del Sud auf
und essen bei einer kleinen Nachtmusik, dargeboten von einem Cassetten
Recorder. Der Innenhof birgt ein Restaurant unter Palmen und allerlei
exotische Bäume und Pflanzen, deren Namen ich aber nicht kenne. Die
grosszügigen Stiegenaufgänge führen in den Rundgang im
ersten Stock. Die ideale Kulisse für einen Film im Seeräuber
Genre, Säbelrasseln, Messerstechereien und ähnliche Eskapaden
beinhaltend. Es fehlen bloss die Kanonenrohre. Das Essen aber interessiert
mich heute nicht. Das wochenlange Hotelessen geht mir schon auf die Nerven.
Sonntag 19 Juli
Es regnet am Vormittag. Wir bleiben im Hotel. Ziemlich bedient. Kreislauf.
Zum Stehen zu schwach, sitzen auch problematisch, weil beim Aufstehen
die Sinne schwinden.
Montag 20 Juli
Brechen etwas früher auf und fahren zum Hotel Maka al Mukarama. Halten
uns dort im Garten auf zwischen Oleander, Papaya, Palmen und anderen exotischen
Gewächsen. Der GrapefruitSaft wird mit einer Unmenge Eiswürfel
serviert. Das ist modern. Gehen entlang der Geschäfte von Möbelimporteuren
bis zum Reiterdenkmal des Hassan Mohammed, auch als mad mullah bekannt,
bis nahe dem Parlamentsgebäude. Von dort zum ministry of tourism,
wo wir in einem office auf den Direktor, viceprimeminister oder sonstigen
chief warten und währenddessen einen Herrn aus Washington, gebürtiger
Grieche, und Herrn Delgado aus Mauritius kennenlernen. Beide seriöse
Geschäftsleute, die hier touristische Aktivitäten planen oder
sonstige Geschäfte im Sinn haben. Herr Georgios, der Grieche, zeigt
uns im Laufe einer längeren Unterhaltung Fotos von seiner Jacht 'Explorer'
und von seinen cargo boats 'Berbera', hellenic-somali lines und eines
erst kürzlich in Brasilien gebauten Schiffes, welches Maroianna oder
ähnlich heisst. So nebenbei geben uns die beiden Herrn allerlei nützliche
Information über die südliche Region, welche ihrer Meinung nach
die sehenswürdigste sein soll. An zweiter Stelle folgt die Region
um die Hauptstadt. Der Norden sei völlig unterentwickelt.
Der Direktor des Büros rät uns, ihn vor der Reise in den Norden
nochmals aufzusuchen, wegen eines Papiers. Jetzt aber will er uns das
noch nicht geben. Der Minister naht heran, Herolde künden ihn an.
Der Grieche wartet seit neun Uhr auf ihn. Es ist zwölf.
Dienstag 21 Juli
Stehen sehr spät auf. Die frisch gewaschene Wäsche wird gebracht.
Hoffentlich zum letzten mal. Wenn er morgen nicht abfährt der Lastwagen
der Caritas, dann fahren wir autostop. Hier in diesem Hotelzimmer hat
sich mittlerweile alles erschöpft. Der Ausblick auf einen spärlichen
Ausschnitt Ozean durch ein vergittertes Fenster, das kleine Zimmer. Jedesmal
wenn die Zimmerür aufgemacht wird, nützen nicht wenige Fliegen
diese Gelegenheit, sich ins Zimmer zu drängen. Diese miesen Biester.
Im Parterre des Hotels, wo man die Paviona Kaffeemaschine Dampf ablassen
hört, tummeln sich jede Menge dieser unnötigen Kreaturen. Unser
Zimmer liegt nicht in Richtung der aufgehenden Sonne, was wohl kein Vorteil
ist. Ich stehe meist als erster auf, aber es ist zu spät und der
Rest schläft noch länger. Heide und Franzis sind bereits entschwunden.
Ein zielstrebiger Aufbruch in die Via Egitto. Dort soll es einen Markt
für handgewebte Stoffe geben. Somali made. Diese Qualitätsbezeichnung
ist eine Rarität. Möglicherweise werden die Meerschaumgebilde
für das Räucherwerk hier fabriziert, aber was sonst noch? Eventuell
auch das Mobilar, das wir bei Gail und Mario gesehen haben, mit Fell bespannte
Sesseln, Tisch und Couch. Bewährt sich hervorragend. Die Berührungsfläche
ist gering, man schwitzt wenig und sitzt trotzdem nicht hart. Jedes Polstermobilar
europäischer Machart kann hier getrost an die würzige Seeluft
gesetzt werden, auf dass es zerfalle. In den mini- und supermarkets befinden
sich Waren aus aller Welt. Milchpulver aus Holland bis Australien, Honig
aus Washington, Kenya, cornflakes und Keks aus weiss der Geier wo. Womit
wird das wohl bezahlt? Mit Weihrauch und Myrrhe? Die Tücher, die
sich Frauen und Männer hier um die Hüften wickeln und wovon
ich einst eines geschenkt bekommen habe von einer Nachbarin in Wien, deren
Vater Botschafter in Djakarta war, diese kommen tatsächlich allesamt
von dort, wovon ich mich in einem Geschäft überzeugen kann.
Nahe dem Markt beim Busbahnhof, am Fusse der grossen Moschee, ein wenig
abseits, wo es etwas ruhiger ist, wo man den Eindruck hat, dem infernalischen
Treiben auszuweichen, dort sind die Scheissplätze der Bewohner. In
Ermangelung öffentlicher Toiletten wird eben das Gelände zugeschissen.
Vor der grossen Moschee, die auf einer kleinen Anhöhe erbaut ist,
befindet sich ein grosszügig angelegter Platz, der einen schönen
Ausblick auf einen Stadtteil bietet. Nahe der Begrenzungsmauer dieser
Terrasse, verschlägt es einem den Atem. Die Böschung unterhalb
der Mauer erstreckt sich Richtung Busbahnhof. Wahrscheinlich eilen abfahrende
und ankommende Passagiere noch schnell hierher, was ich mir aber bloss
in der Dunkelheit vorzustellen wage. Vielleicht handelt es sich auch um
Besucher der Moschee. Ein ähnliches Szenario am Lido zwische Hotel
Coruba und altem Hafen. Der Strand ist dort mit grossen Steinen getarnt
und dahinter eine Mauer errichtet. Die Mauer eignet sich vorzüglich,
über sie Müll und Abfälle zu kippen. Wer dort in diesem
grauslichen Dreck auch noch zu scheissen vermag, muss Nerven wie Drahtseile
haben.
Gehe nahe der British Embassy auf der Küstenstrasse und biege in
einen Fahrweg Richtung Meer ein. Wieder entlang von Müllhalden und
umweht von penetrantem Geruch. Erreiche ein altes, koloniales Fort, das
sich als central prison heraustellt. Eine Wanderung rund um das Gebäude
scheint möglich. An einer Ecke des Gebäudes sehe ich einen Bewaffneten
auf einem Rundgang patrouillieren. Herunten quatscht mich einer an und
gestikuliert unmissverständliches. Blicke auf den Hafen, Stapel von
Container, kleinere Schiffe, desolate Lagerhallen. Verlasse eiligst das
Gelände und gehe zurück zum Busbahnhof. Setze meine Schweisserbrille
auf, damit ich mich auf die unzähligen Augenkontakte nicht einlassen
muss und auch die Rufe 'Seniore', 'Seniore' und 'come stai' überhören
kann. Heide ist einmal gefragt worden 'are you a tourist? thank you very
much'. Oder jemand sagt 'welcome to Somalia' und grinst über das
ganze Gesicht erwartungsvoll. Muss mir in Zukunft zur Gewohnheit machen,
demjenigen gleich einen Sh in die Hand zu drücken.
Das Hotel erzittert. Dumpfes Brummen der Getreidemühle von vis a
vis. Auch der Geruch, des nachmittäglichen Lammfleischkochens kriecht
herauf in unser kleines Zimmer.
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