KONZENTRATIONSLAGER GUSEN I, II, III UND RÜSTUNGSANLAGE BERGKRISTALL

VORTRAG RUDOLF A. HAUNSCHMIED
GEDENKDIENST KOMITEE GUSEN

http://www.gusen.org

KURZGESCHICHTE DER KONZENTRATIONSLAGER GUSEN

Bereits am 25 Mai 1938, wenige Monate vor der Gründung des KL Mauthausen, kauft die SS in Gusen die ersten Liegenschaften. Ab 1939 investieren die Deutschen Erd- und Steinwerke bereits in die Steinbrüche von Gusen. Gefangene aus dem KL Mauthausen müssen ab Herbst 1938 täglich von Mauthausen nach Gusen marschieren, um auch dort in den Steinbrüchen zu arbeiten.
Im Winter 1939/40 erfolgt die offizielle Gründung, bereits 1941 wird auf Grund der mörderischen Arbeitsbedingungen ein eigenes Krematorium gebaut.
Ab 1943 müssen Gefangene aus Gusen den Bau einer Bäckerei in Lungitz errichten. Ab Ende 1944 nimmt diese Bäckerei mit angeschlossenem Gefangenenlager (Gusen III) ihren Betrieb auf.
Das KL Gusen II wird im Frühling 1944 wenige Meter westlich des KL Gusen I provisorisch errichtet. Darin werden bis zu 16000 Gefangene für den Bau und Betrieb des unterirdischen Flugzeugwerkes BERGKRISTALL eingepfercht. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Kommandos dieses Lagers zählen zu den brutalsten innerhalb des nationalsozialistischen Konzentrationslager Systems. Die durchschnittliche Überlebenschance eines Gefangenen beträgt etwa 4 Monate.
Mehrere tausend Gefangene des KL Gusen werden im Frühling 1945 in das sogenannte Sanitätslager beim KL Mauthausen gebracht und dort umgebracht. In Gusen werden insgesamt ca 37000 Gefangene ermordet. Am 5 Mai 1945 werden die KL von Gusen durch amerikanische Truppen befreit. Etwa 23000 Gefangene befinden sich zu dieser Zeit in den Lagern.
TEXT aus dem folder GUSEN COMITATO MEMORIALE GEDENKDIENSTKOMITEE. Geringfügig modifiziert.

 

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Die Stollenanlage BERGKRISTALL in St. Georgen/Gusen gehört zu den größten Bauwerken aus der NS-Zeit in Österreich. Knapp 45.000 m² bombensichere Produktionsfläche wurde von Gefangenen des Konzentrationslagers Gusen II in den Jahren 1944 und 1945 in nur 13 Monaten Bauzeit unter grausamen Bedingungen um den Preis von tausenden toten Gefangenen errichtet.
Unter der Tarnbezeichnung BERGKRISTALL wurden unter strengster Geheimhaltung Rümpfe und Flügel für das Düsenjagdflugzeug Me 262 auf einer Art Fließband gefertigt. Ebenso waren Schlüsseltechnologien für die Produktion von Spezialteilen in St. Georgen/Gusen bombensicher untergebracht.
Das Projekt wurde bereits vor 1944 durch die Luftwaffe des Großdeutschen Reiches entwickelt und seit Jahresbeginn 1944 durch Ausbeutung von Gefangenen des Konzentrationslagers Gusen realisiert. Standortentscheidend dürfte eine bereits seit 1939 in St. Georgen/Gusen durch die SS betriebene Sandgrube, das Vorhandensein kleinerer Brauereikeller, die bereits vorhandene SS-Infrastruktur, die seit 1943 erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Messerschmitt GmbH Regensburg und den Deutschen Erd- und Steinwerken (DEST) sowie die Nähe zu den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen gewesen sein.
Die Realisierung des Projektes BERGKRISTALL führte zur zusätzlichen Deportation tausender Gefangener nach Gusen, wo sie in dem ab Mai 1944 verfügbaren KL Gusen II in primitivste Baracken gepfercht wurden. Die Baracken waren ohne sanitäre Einrichtungen, von Ungeziefer befallen,verseucht und 'überfüllt'. Zeitweise wurden mehr Gefangene über einen direkten Bahnanschluss nach Gusen gebracht als im Lager für das Projekt 'verbraucht' wurden. Tausende Gefangene starben infolge der mörderischen Arbeitsbedingungen in den Stollen, an Unterernährung, Schlafentzug, fehlender Hygiene oder fielen der extremen Brutalität der Wachmannschaften und der FunktionsHäftlinge zum Opfer.
Die Gefangenen mussten im Schichtbetrieb arbeiten und wurden nach einer acht- bis zwölfstündigen Schicht in der Regel auf der SS-eigenen Eisenbahn seit 1943 vom Stollensystem BERGKRISTALL, Bahnhof St. Georgen/Gusen, in offenen Waggons oft nur zum 'Schlafen' in das etwa zwei Kilometer entfernte Lager Gusen II gebracht. Dabei wurden die Gefangenen stets von den Hunden der SS gehetzt und waren den Schlägen der Kapos ausgesetzt.
Ein erstes Häftlingskommando wurde am 2. Jänner 1944 zusammengestellt und im Juni 1944 arbeiteten bereits mehr als 3.000 Gefangene des KL Gusen unter Tag.
Die Errichtung dieser Stollen und der brutale Umgang mit den Gefangenen sind verantwortlich dafür, dass die Opferzahl der Lager von Gusen letztlich auch jene des Lagers Mauthausen überstieg. Etwa 3.000 Gefangene des Lagers Gusen II wurden, nachdem sie in BERGKRISTALL arbeitsunfähig wurden, zum 'Sterben' in das Sanitätslager Mauthausen gebracht.
Die Reste der Konzentrationslager Mauthausen, Gusen und BERGKRISTALL markieren bis heute die räumliche Ausdehnung des ehemaligen KL-Systems in dieser Region und zeigen auch den Wandel während des Kriegsverlaufes von einem Zentrum der Granitsteinindustrie zu einem Zentrum der Rüstungsproduktion für den 'Totalen Krieg', welche auch die massenhafte Vernichtung von Menschen mit einschloß.
BERGKRISTALL wurde gemeinsam mit den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen I, II & III am 5. Mai 1945 befreit. Die bereits vorbereitete Sprengung der unterirdischen Produktionsanlage und die dabei vorgesehene Vernichtung von tausenden Gefangenen wurde jedoch nicht ausgeführt. Die Stollenanlage fiel in die Hände der amerikanischen Befreier und wurde sofort abgeriegelt, um eine Wiederaufnahme der Produktion im Falle einer Fortsetzung des Krieges jederzeit zu ermöglichen. Erst als sich im Frühsommer 1945 abzeichnete, dass die Amerikaner den Raum nördlich der Donau zu räumen hätten, wurden die wichtigsten Maschinen rasch auf die andere Seite der Donau nach Linz gebracht, um sie dem Zugriff der Sowjetunion zu entziehen
Ab Herbst 1945 geriet BERGKRISTALL unter den Einfluss der Sowjetunion. Bis 1947 wurden nahezu alle Betriebseinrichtungen demontiert, entfernt und aus St. Georgen/Gusen weggebracht.
Im Herbst 1947 wurde durch die Rote Armee versucht, das Stollensystem mit Fliegerbomben zu sprengen. Diese mehrere Wochen dauernden Sprengungen konnten die Anlage zwar nicht vollständig zerstören, aber an mehreren Stellen erheblich beschädigen. So kam es bereits wenige Jahre nach diesem Zerstörungsversuch zu Geländeeinbrüchen, welche von den Bewohnern wieder sukzessive verfüllt wurden. Da BERGKRISTALL während des Krieges ohne irgendwelche behördlichen Bewilligungen errichtet worden ist, und das offizielle Österreich kein Interesse an der Aufarbeitung der Geschichte zeigte, blieben Fragen des Eigentums, der Verantwortlichkeit und der Zuständigkeit viele Jahrzehnte lang ungeklärt.
Die teilweise stark beschädigten Stollen wurden in den Jahrzehnten nach dem Krieg für einzelne Nachkriegsnutzungen wie z.B. ein unterirdisches Kraftwerk, einen Großbunker für den Zivilschutz oder ein Atommüll-Lager in Betracht gezogen. Mit Ausnahme einer Champignonzucht und dem Abbau des bei den Sprengstellen angefallenen Sandes wurde aber keines dieser Vorhaben je realisiert.

Erst im Jahre 2001 wurde die Republik Österreich Rechtsnachfolger des Stollensystems BERGKRISTALL und übertrug die teilweise zerstörte Anlage an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als neue Eigentümerin. Da aber schon in den 1990igern über einzelnen Stollenteilen Häuser errichtet worden waren, begann die BIG bereits in den Jahren 2003 und 2004 zur Absicherung dieser Häuser mit einer Teilverfüllung der Stollen. 2009 wurde dann der größte Teil der verbliebenen Stollen durch die BIG endgültig verfüllt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es umfangreiche Bemühungen, um die nun noch erhaltenen Stollen von St. Georgen/Gusen als Gedenkstätte zugänglich zu machen.
Im Mai 2010 war es ehemaligen Gefangenen der Konzentrationslager von Gusen erstmals seit dem Kriegsende offiziell möglich, die verbliebenen Stollen von BERGKRISTALL wieder zu betreten.
Text von RUDOLF A. HAUNSCHMIED aus der Broschüre STOLLENSYSTEM 'BERGKRISTALL'. Bewusstseinsregion Mauthausen - Gusen - St. Georgen/Gusen. Geringfügig modifiziert.

 


Rudolf A. Haunschmied vom Gedenkdienstkomitee Gusen erforscht schon seit mehreren Jahrzehnten die Geschichte der ehemaligen Konzentrationslager Gusen I, II und III. In zwei Sendungen schildert er die Enstehungsgeschichte und die besondere Brutalität in den Lagern, die sich über mehrere Gemeindegebiete erstreckten. Rudolf Haunschmied spricht auch über die Schwierigkeiten bei der Gedenkarbeit heute. Die Geschichte des bis heute weitgehend unbekannt gebliebenen KL-Komplexes Gusen ist erschütternd. Das meiste Wissen verdanken wir den wenigen Überlebenden, mit denen Rudolf Haunschmied in den letzten 30 Jahren noch arbeiten durfte. Sie waren über die ganze Welt verstreut. Von Neuseeland bis Kalifornien, von Russland und Israel bis nach Spanien.
Text: website Freies Radio Freistadt

https://www.frf.at/2018/12/gedenkjahr-gedenkstaetten/


https://cba.fro.at/390914
https://cba.fro.at/390913

 

 

Weiterführende Literatur
Joseph Fisher, The Heavens were Walled In - Die Himmel waren vermauert.
New Academic Press, Wien, 2017
Rudolf A. Haunschmied, Das "Judenlager" Gusen II und das unterirdische Messerschmitt-Flugzeugwerk "Bergkristall" in St. Georgen a. d. Gusen (in Joseph Fisher, The Heavans were Walled In)
Bernard Aldebert, Elisabeth Hölzl (Hg.). Gusen II - Leidensweg in 50 Stationen.
Bibliothek der Provinz, Weitra 1997.
Stanislaw Dobosiewicz. Vernichtungslager Gusen. Bundesministerium für Inneres, Wien 2007.
Reinhard Hanausch, u.a. (Hg.). Überleben durch Kunst: Zwangsarbeit im Konzentrationslager Gusen für das Messerschmittwerk Regensburg.
Staatliche Bibliothek Regensburg, Regensburg 2012.
Rudolf A. Haunschmied, u.a. St. Georgen-Gusen-Mauthausen - Concentration Camp Mauthausen Reconsidered. Gusen Memorial Committee,
Norderstedt 2007.
Rudolf A. Haunschmied. NS-Geschichte 1938-1945. In: 400 Jahre Markt St. Georgen an der Gusen. Marktgemeinde St. Georgen/Gusen, St. Georgen/Gusen 2011. S. 99 ff.
KZ-Gedenkstätte Gusen
Martin H. Lax und Michael B. Lax, Caraseu: A Holocaust Remembrance, The Pilgrim Press, Cleveland, Ohio, 1996
Naftali Deutsch, A Holocaust Survivor: In The Foodsteps Of His Past, Mazo Publishers, Jerusalem 2007
Karl Littner, Rudolf Haunschmied (Hg.) Life Hanging on a Spider Web: From Auschwitz-Zasole to Gusen II


https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-history/die-geheimste-unterwelt-der-ss-100.html

ZDF HISTORY
Die geheimste Unterwelt der SS

Neue Quellen-Funde belegen die Existenz einer streng geheimen SS-Unterwelt in Österreich, deren riesige Ausmaße und Bedeutung im Zweiten Weltkrieg bislang unbeachtet blieben.
ZDF HISTORY
Beitragslänge: 44 min
Verfügbarkeit: Video verfügbar bis 16.01.2021

ANDREAS SULZER pro omnia film gmbh
https://www.facebook.com/search/top/?q=Andreas%20Sulzer&epa=SEARCH_BOX


https://www.meinbezirk.at/perg/c-lokales/vortrag-mit-filmemacher-andreas-sulzer-was-geschah-im-lager-gusen_a3710736

 

 

USHMM
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn1001014
Gusen [War Crimes Commission: Mauthausen Concentration Camp]
Film | Accession Number: 1991.256.1 | RG Number: RG-60.0125 | Film ID: 153

"Mauthausen Concentration Camp" [Title incorrectly identifies this camp as Mauthausen. The footage actually shows Gusen concentration camp.] High pan of concentration camp for slave laborers. Pan of buildings. Gallows with 2-3 men standing alongside it, courtyard wall behind. Soldiers provide "tour." American POW talking about experience at Mauthausen [filmed at Mauthausen], "fortunately my turn hadn't come," talks of two American soldiers/officers killed, talks about his uniform. Survivors. Pile of corpses. Inmates help each other through the camp, one washes another at trough. German civilians are forced to remove and bury the dead, supervised by the U.S. Army personnel. Wagonloads of dead. HSs, exhumation of bodies from graves. FSV, bodies (some women) in grotesque positions, with signs of horror on their faces. VCUs corpses. MSs, CUs, MCUs, living skeleton held up by another inmate.

 


729312_View of the construction of the Gusen I concentration camp Photograph Number 89979

 


729347_View of the Gusen concentration camp after the liberation Photograph Number 83816

 


View of the Gusen concentration camp after the liberation

 


Luftbilddatenbank Dr. Carls GMBH/ NARA (National Archives and Records Administration)

 


View of the Gusen II concentration camp

 


Gusen II concentration camp Prisoner Formation of Thanks to Liberators_Sandler.jpg

 


Survivors and American servicemen stand on a main artery of the Gusen concentration camp following liberation
A watch tower is in the background Photograph Number 90621

 

 


Terminplan BERGKRISTALL Fa Grün & Bilfinger AG
Quelle: Rudolf A. Haunschmied, Das "Judenlager" Gusen II und das unterirdische
Messerschmitt-Flugzeugwerk "Bergkristall" in St. Georgen a.d. Gusen.
In: Joseph Fisher, Die Himmel waren vermauert. New Academic Press. Wien 2017.

 

 


InsideBarracks_NARA_266502-W RG 319 Entry CE Box 20001

 


729294_Survivors and piles of corpses in Gusen after liberation Photograph Number 102

 


729407_A cart laden with corpses in Gusen after liberation Photograph Number 06414

 


KLGusenII_YVA_1684_11_LeichenVorEingangKrematorium

 

 


765226_The bodies of prisoners killed in Gusen assembled for cremation Photograph Number 21518

 


729335_Crematorium furnaces in the Gusen concentration camp after the liberation Photograph Number 06435

 


712062_Austrian civilians are forced to bury the corpses of deceased prisoners in the Gusen concentration camp Photograph Number 90646

 


712045_Austrian civilians are forced to bury the corpses of deceased prisoners in the Gusen concentration camp Photograph Number 90707

FOTOS
UNITED STATES HOLOCAUST MEMORIAL MUSEUM

https://collections.ushmm.org
search: GUSEN

 

 


MariengrubeStollenanlageBergkristall_1960_SammlungRudolfHaunschmied

 


ehemaliges Lagertor 'JOUR HAUS'

 


SS Unterkuenfte nahe Lagertor 'Jour Haus'

 


SS Unterkuenfte nahe Lagertor 'Jour Haus'

 


SS Unterkuenfte Giebelansicht

 


Lagergelaende. Im Hintergrund gemauerte ehemalige GefangenenBaracken

 


gemauerte ehemalige GefangenenBaracken

 



Steinbrecher

 

 

 

 

FarbFotos: Backwood Archives