ATHENS - IOS - ATHENS 1987

Fri, 1 May
Piräus. Grau und bewölkt. Besichtigen ein Zimmer im Hotel Piräus direkt an der Hafenpromenade. Sehr laut aber billig. Weitere Zimmer in den Hotels Glaros und Galaxi. Steigen schliesslich im Hotel Santorin ab, weil uns der Receptionist, ein alter Mann, sympatisch ist. Fragen in einem port authority bureau nach den Destinationen der Schiffe, die gerade im Hafen liegen. Ein Mann von einer shipping agency bietet uns seine Hilfe an. Er versichert uns, dass kaum ein Schiff Passagiere mitnimmt. They don't accept passengers. You are wasting your time.


Sat, 2 May
Nehmen einen Bus und fahren entlang der Küste bis zum ersten Jachthafen, ZEA LIMANI oder PASSALIMANI. Jede Menge Boote aber keines, das auslaufen wird. Über dem Jachthafen die Einflugschneise des Airports Glifada. Ein Flugzeug pro Minute. Ohrenbetäubender Lärm, wenn der Vogel seine Kurve fliegt.

 



Sun, 3 May
Blicke vom fünften Stock auf den Hafen. Vier kleinere Frachter ankern am gegenüberliegenden Kai. Durch die benachbarte Strassenschlucht kriecht ein Müllfahrzeug mit Getöse. Franzis sitzt neben mir auf dem Balkon und isst Joghurt. Von der nahegelegenen orthodoxen Kirche dringen rituelle Gesänge durch den Verkehrslärm. Vis a vis im Hotel Serifos liegen die Damen zahlreicher Nachtclubs noch in tiefem Schlummer. Gegen Abend werden sie wieder glitzernde Röcke und Satin Schals probieren und sich am Bettrand sitzend schminken. Ein Tankwagen mit Anhänger kriecht durch die Gasse. Franzis hat ein nahezu weisses Kleid angezogen. Die Sonne scheint schon kräftiger. Der Himmel kann hier nie klar sein bei dem entsetzlichen KFZ Verkehr.
Nehmen einen Bus Richtung Flughafen. Fahren über Moschaton und Faliron hinaus. Kein Sitzplatz. Der Fahrer rast völlig unbegründet und lässt uns beim Jachthafen nicht aussteigen, weil dort keine Haltestelle ist, sagt er. Heilfroh endlich aus der Kiste herauszukommen. Im Jachthafen wird eifrig geputzt, geschliffen und gestrichen. Finde jedoch niemanden, der in den indischen Ozean aufbrechen möchte. Von der Küstenstrasse her dringt der nie abreissende Lärm des KFZ Verkehrs, regelmässig durchbrochen vom Gedröhn eines sportlich gefahrenen Motorrades und den Luftvibrationen von Düsentriebwerken beim Start der Maschinen. Ein herrlicher Tag nahe der Abflugschneise. Die Luft scheint dort sehr selten klar zu sein, kein Wunder bei all den Abgasen, die ständig in sie hineingepresst werden. Rückfahrt mit einem gänzlich Irren. Der Mann fährt die Haltestellen mit hoher Geschwindigkeit an, leitete eine Notbremsung ein, lässt die Türen noch während des Bremsvorganges aufspringen und bevor sie ganz offen sind bereits wieder zuschlagen und tritt wieder das Gaspedal an den Anschlag. Versuchen uns in einem Cafe an der Hafenpromenade zwischen Hafenbehörde und S-Bahn zu regenerieren. Der Besitzer hat rock'n'roll Platten in seiner Juke Box.
Blicke vom Balkon auf die Hotels Serifos, Ideal, Faros, Atlantis, und Capitol ferner auf die Bar Europa, Nightclub Figaro und Cyprian Bar. Weiter entfernt in der Gasse stehen auch drei sogenannte Arrestantenwägen. Dies bereits seit unserer Ankunft. Die sind dort offenbar stationiert. Es wimmelt hier von Uninformierten.
Unser Hotel liegt in der Odos Charilaou Trikoupi. Dort wo sie in die Uferpromenade mündet liegt die DANAE angetäut. Vis a vis in einem Bürohaus mit Metallfassade putzt eine Frau die Büroeinrichtung. Ein Schrei aus einem Fenster im vierten Stock des Hotel Serifos, dort wo die Damen wohnen, die in den Nachtclubs arbeiten.




Mon, 04 May
Besuch des Gilnavi Shipping Comp office. Weitergereicht an Hellantia, aber überall dieselbe Problematik. Don't accept passenger. Mit der Metro bis Omonia. Erkundigen uns bei Santos Air nach einem Flug nach Jemen Nord. Der consul d'honore ist nicht da. Die Büroangestellte gibt uns kein Visum ohne Flugticket. Suchen das Büro Sunny Cruises auf. Unser Berater Barry Rough empfiehlt uns, mit Egypt Air nach Kenya zu fliegen. Kämpfen uns zur British Embassy in der Vassilissis Sofias/Odos Ploutarchou durch. Die Sofias ist eine dreispurige Autobahn in beiden Richtungen, ein Inferno an KFZ Geräusch und Abgas. Flüchten in den dort gelegenen Park und bleiben in einem Café an einem kleinen Teich. In der Nähe stehen Zypressen, Trompetenbäume, Pinien voll mit Zapfen, blühende Fliederbüsche...Suche später noch Saudi Air, Sudan Air, Air Ethiopia und Aeroflot auf. Aeroflot fliegt einmal wöchentlich nach Mogadischu, jedoch von Moskau aus.
Mittagessen am Rande des touristischen Stadtteils PLAKA.
Spaziergang auf die Akropolis. Durch die verwinkelten Gassen der PLAKA. Ausblick auf Rosenstöcke in der unmittelbaren Nähe und auf das dem Untergang geweihte Babylon in der Ferne.

 

Tue, 05 May
4:30 Uhr Normalzeit. 6:30 Uhr Sommerzeit. Schaue vom Balkon auf den Hafen und schreibe einige Ausgaben in ein Buch. Beabsichtigen heute das Hotel Santorin zu verlassen. Im Hafen liegt seit letzter Nacht das russische Schiff Ivan Franco. Eine Flotte von Reisebussen wartet bereits nahe der Anlegestelle. An den Scheiben wird noch geputzt.
Aus der Strassenschlucht unter dem Balkon nähert sich wieder das Fahrzeug, das den Abfall abtransportiert. Ein sogenannter Arrestantenwagen steht mitten in der Gasse. Was wird dort verladen bei eingeschaltener Warnblinkanlage? Tauben flattern. Das Hotel Serifos liegt noch im Schlafe. Rundherum die übliche tröstliche Geschäftigkeit. Müssen noch unsere Sachen packen. Das Schiff heisst Santorini und fährt Syros - Paros - Naxos - Ios - Santorin. Endlich weg von dem stinkenden Piräus. Die Sicht ist schlecht, wird aber mit zunehmender Entfernung besser. Die Stadt liegt zurück in einer stehenden Abgaswolke. Passieren eine kleine Insel, Kithnos?, und die Ausläufer des Festlandes. Das Schiff ist mässig ausgelastet. Die Passagiere kommen aus dem Westen oder aus Japan. Noch eine kleine Insel zieht vorbei, GIAROS?. Grünes Buschwerk ist zu sehen, die Küste ist felsig und wild zerklüftet. Kein Haus. Heide sitzt in einem geschützten Winkel in der Sonne. Franziska schläft seelig inmitten dumpfen Gedröhns. Gegenüber ein Grieche, wochentags Nadelstreif, Pullover, Lederschuhe, Reisetaschen, Kunststoffsackerl. Wieder eine felsige Insel. Nackter Fels, kein Baum, kein Strauch. Finde einen alten Zettel in meiner Jacke. Liste der letzten Arbeiten am Tage des Aufbruchs. Rasieren, Fenster zumachen, Mausefallen, Tauben evakuieren, Instrumente und Fotokoffer im ersten Stock lagern, Rechnungen einzahlen, Taucherbrille einpacken....
Das Ende des Festlandes ist in Sicht. Der Tempel von Kap Sounion. Passieren die Insel Kea. Vereinzelt Häuser. Über die grossen Hänge ziehen sich längs- und querlaufende Steinmauern. Die Arbeit von Generationen. Nähern uns Ermoupolis, dem Hafen von Syros. Kahle steile Hänge im Norden der Insel. Eine Mauer zieht sich vom Meer den halben Hang hinauf, verläuft dann quer und verschwindet in einem Bogen über eine Kuppe. Ein einsamer fünfzig Meter breiter Sandstrand in einer kleinen Bucht zwischen Felsen. Querverlaufende Mauern auf den Gipfeln. Weitere kurze Sandstrände. Vereinzelt Häuser. Auf den Bergkuppen Stromleitungen, im Hintergrund Himmel. Die Hänge terrassiert. Ein paar Palmen. Hafeneinfahrt. Dry Dock der Firma Neoforion. Loukoumi Verkäufer entern das Schiff und durchkämmen es. Bestellen einen griechischen Kaffee in der Muster Station. Die langstielige Kanne ist original, dahinein aber wird der Dampfrüssel der Kaffeemaschine gehängt. Nicht sehr originell. Die Eingeborenen sprechen ungeniert laut miteinander und alles klingt sehr ernst. Ein ernsthaftes Volk. Die Männer verbringen sehr viel Zeit mit dem Rauchen von Zigaretten. Franziska schiebt die verchromten Stühle herum und stellt sie in Reihen zusammen. Paros und Naxos liegen hinter uns. In der aufwendigen MUSTER Station erquickt man uns jetzt mit TV. Draussen weht ein kaum erträglicher Wind.

 



Wed, 06 May
Spazieren in der früh an den Strand Mylopotamus und in das dahinterliegende Tal zu dem angemieteten Haus. Vom Garten des Georgios Drakos blicken wir auf den Strand, das Meer und auf die Insel Sikinos. Vor ein paar Jahrzehnten hat er selbst noch dort gewohnt. Heftiger Wind. Träume von einem Kaffee. Der Wind kippt ein Sperholzbrett hin und her, eine Wasserflasche aus Kunststoff rollt über die Terrasse. Das Rauschen des Meeres weht vorbei. Am nahen Hang tragen vereinzelt Schafe und Ziegen kleine Glöckchen durch die Büsche. Schwarz - grau geteilte Saatkrähen spazieren auf einem Feld. Die Skulptur von Helmut Kand ist etwas geschrumpft. Am Abend beruhigt sich der Wind schlagartig und es entstehen ideale Flugbedingungen für Mosquito. Flüchten unter die provisorisch aufgespannten Netze und versuchen uns nicht zu rühren, denn die Monster umkreisen die Netze und das Geräusch nahe am Ohr schreckt mich sofort aus dem seichten Schlaf.

 



Thu, 07 May
In den Gärten des Georgios Drakos im Hinterland des Strandes Mylopotamus. Der rüstige alte Mann verstopft sein Wasserbassin und scheint sich auf den Rückweg zu seines Sohnes Restaurant am Strand zu machen. Seine Gärten sind unsere Zuflucht auf dieser trostlosen Insel. Die Saison scheint noch nicht begonnen zu haben, denn die Restaurants sind noch geschlossen, die Pensionen versperrt. Das Tal hat verschiedene Zubauten erlebt seit unserem letzten Aufenthalt vor fünf Jahren. Mehrere kubische Rohbauten stehen im Weingarten unseres Vermieters. Eine Strasse führt von dort bis zur betonierten Strasse, die den Ort Ios mit dem Strand Mylopotamus verbindet. Drakos Sohn fährt mit dem 4WD KFZ über den Sandstrand zu seinem Restaurant. Auch Stromleitungen hat es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Spazieren am Nachmittag in den Hafen, auch die meisten Geschäfte sind noch geschlossen. Kaufen im Dorf ein und schleppen alles kilometerweit nach Hause. In der Nacht kommt unser Nachbar nach Hause. Er ist der Meinung, beide Häuser gemietet zu haben und sichtlich irritiert über unsere Anwesenheit.

 


Fri, 08 May
Sonnig. Ein Bootsmotor knattert in der Ferne. Die Freundin unseres Nachbarn frühstückt mehrere Zigaretten, sieht uns aber nicht. Überlege ob ich meine Wäsche waschen soll. Keine Seife. Aufbruch zum Strand. Es weht ein derart heftiger Wind, dass ein Verweilen unmöglich ist. Am Abend besucht uns Georgios Monogios und schenkt uns Minze und Salbei aus seinem Garten. Er schreibt uns einige griechische Wörter auf und geht dann zurück zu seinem Restaurant am Strand.


Sat, 09 May
Früher Morgen. Eine dichte Wolkendecke überzieht den Himmel. Das Meer schickt seine Brecher an den Strand. Ein Hahn kräht in einem benachbarten Garten. Eine Ziege schreit im stacheligen Gebüsch. Hat sie sich verhängt? Völlige Windstille. Die Mosquitos sind ermattet und rasten in ihren Verstecken. Georgios Drakos, unser landlord, kommt mit seinem Esel in den Garten und beginnt unverzüglich Pflanzen zu setzen.


Sun, 10 May
Früher morgen. Laufe am Strand von einem Ende zum anderen. Mehrmals. Der erste Autobus steht schon bereit. Der wird doch wohl nicht auf mich warten? Entschliessen uns zu einer Wanderung über die Berge zu einem Strand, der früher american villa geheissen hat. Der Weg, ein Eselpfad, führt entlang von Bergkuppen in etwa gleichbleibender Höhe. Nach ein, zwei Stunden sehen wir den Strand und das Haus. Es scheint nicht weit zu sein. Wir verlassen den Weg und versuchen querfeldein abzusteigen. Heide versucht, über Felsen hinunter zu gelangen, muss aber wieder umkehren. Ich gerate in undurchdringbares Dornengebüsch und muss mehrere male umkehren. Ziemlich erschöpfend mit Francis am Arm. Irgendwie erreichen wir den Strand und rasten im Sand. Ein Stück vom Wasser entfernt liegen wie aufgefädelt kleine Teerkugeln im Sand und werden hin und wieder von den Wellen bewegt. Weiter entfernt liegen grössere, offenbar auch ältereTeerklumpen. Wehe wenn man irrtümlich darauftritt oder das Handtuch darauflegt. Wolken verdunkeln immer wieder die Sonne


Mon, 11 May
Sonnig. Entschliessen uns zum Strand Koliziany zu gehen. Auf halbem Weg vom Ort Ios kommend liegt ein altes Haus, in dem ich vor Jahren einmal gewohnt habe. Nächtens weht dort der Wind die Music der Disco Scorpion vorbei. Das Haus fällt mittlerweile zusammen. Die Terassen auf dem benachbarten Berg sind in einem ähnlichen Zustand. Vier weisse und eine schwarze Ziege stehen auf dem Dach eines alten Eselstalls. Am Strand hat sich nicht viel geändert. Der Wohnwagen, der während der Saison Getränke anbietet ist noch verschlossen. Der Unternehmer hat offenbar nicht im Sinn, hier eine Taverne zu errichten. Alle umliegenden Berge sind terrassiert, werden aber nicht mehr bewirtschaftet. Die Terrassen beginnen wieder eine energetisch günstigere Form anzunehmen. Sie fallen zusammen. Es ist endlich so warm, das wir ins Waser gehen. Francis ist voller Freude und geht mit mir. Sie rutscht aus, entgleitet mir und geht unter im knietiefen Wasser. Das dämpft ihre Euphorie etwas. Das Salzwasser brennt in den Kratzern, die uns das dornige Gebüsch beim Abstieg zur american villa zugefügt hat. Kaufen ein paar Fische im Dorf und gehen zu Fuss nach Hause. Der Abend ist wieder völlig windstill und voll von jenem unheilvollen Geräusch, das entsteht, wenn ein Mosquito auf Jagd geht. In der Nacht weckt mich das Scheppern eines Topfes. Den Resten des Fischgerichtes scheint nachgefragt zu werden. Der Mond ist nahezu voll.


Tue, 12 May
Stehe in der Morgendämmerung auf und spaziere an den Strand. Laufe dreimal von einem Ende zum anderen. Leichter Muskelkater und Sonnenbrand von gestern. Am Himmel hängt eine diesige Wolkendecke. In der Bucht stehen drei Fischerboote. Von einem der Berge tönen die kleinen Glocken, die von Ziegen herumgetragen werden. Im Garten des Georgios Monogios bellt der angekettete Hühnerhund. Wahrscheinlich ist er voller Zecken. Sollte den Hirten am Berg aufsuchen und um Käse fragen. Zünde ein Zigarillo an. Das Frühstücksfeuer scheint ausgehen zu wollen. Unfern eine Unterhaltung in der Landessprache. Heide hustet unter dem Mosquitonetz. Francis begrüsst den Morgen. Eine Jacht, die über Nacht in der Bucht vor Anker lag, entfernt sich Richtung Sikinos.
Die Nacht windstill und drückend. Ein Mosquito verirrt sich unters Netz.

 



Wed, 13 May
Sehr früh auf. Der Himmel wolkenbedeckt. Spaziere an den Strand und renne meine Längen. Jedoch nicht ganz. Dort wo die Strasse in den Ort Ios beginnt und das Restaurant FAR OUT sich befindet, scheinen weggeworfene Kunststoffprodukte zusammengetragen und abgefackelt zu werden. Jedenfalls ziehen dort hartnäckig atemberaubende Schwaden durch die Umwelt. Verlasse den Strand und verweile beim Brunnen in der Nähe des Hauses. Etwas später im Verlaufe eines Atemzuges ein leichter Stich zwischen den Schulterblättern. Hexenschuss. Entschliesse mich, den Hirten am Berghang aufzusuchen. Von Ferne scheint er schon ungehalten, obwohl ich seine Koppel gar nicht betrete und er ruft mir gestikulierend "wohin"? in der Landessprache zu. Nähere mich ihm vollends und schreie ihm grusslos mein Anliegen entgegen.
Entschliessen uns zu einer Wanderung entlang des ausgetrockneten Flussbettes. Am Ende des Tales steht ein gewaltiger Baum, wahrscheinlich der grösste der Insel. Eine Pinie mit riesigen Zapfen. Treffpunkt oder Wohnsitz einer Vogelpopulation. Gekreisch, Geflatter und jede Menge Vogelschiss rund um den Baum. Klettern noch den benachbarten steilen Hang hinauf zu einem Haus, das ich vor Jahren einmal aufgesucht habe. Die Aussicht über die gesamte Bucht ist phänomenal. Erinnere mich an grosse Tonkrüge im Haus, die aber nicht mehr dort sind. Die Terrassen ums Haus sind lang und schmal, die Mauern etwa zwei Meter hoch. Die Arbeit eines Vaters und seiner fünfzehn Söhne. Knapp unterm Haus befindet sich der Brunnen und auch Wasser.
Früh ins Bett. Kaum Mosquitos im Haus, da ich auch die Löcher im Fensterstockbereich verstopfe.


Thu, 14 May
Träume von einer Prozession bei der Transparente getragen werden. Gehe ein gutes Stück voraus. Am Rande ein Spalier von Menschen, die mir zurufen ich solle abhauen. Treffe weiter vorne den Bürgermeister meines ehemaligen Heimatortes, der mich mit einem Schmäh aus der geplanten Route herausmanövriert. Er verspricht, etwas für meinen Bruder zu unternehmen. Weise darauf hin, das jener dort anwesend ist. Er zuckt aber bloss mit den Schultern. Ein Stück weiter, meine Trompete befindet sich in einer Reception oder Gepäcksaufbewahrung, schnorren mich auf einer Fussgängerbrücke zwei Typen um Geld an. Ein dritter kommt hinzu und zeigt Interesse an meinem Messer. Sehe mich gezwungen, dasselbe herauszunehmen und den Spuk zu beenden. Entferne mich oder erdolche alle. Am Schluss eine Autobusfahrt, die in meinem ehemaligen Heimatort endet, in den eine dreispurige Vassilissis Sofias führt mit vielen Mopedfahrern.
Laufe wie jeden morgen dreimal den Strand hin und her. Nicht an der Wasserlinie, weil dort ist das Terrain zu uneinheitlich, obwohl an manchen Stellen der Sand ganz hart ist. Laufe einige Meter vom Wasser entfernt in den Reifenspuren der 4WD KFZ von Drakos und Monogios.
Taumeln am Strand Koliziani herum. Das Sonnenbad habe ich bereits hinter mir, es folgt the protective part. Eine widriger Wind treibt jede Menge Kunstoffsackerlfragmente an den Strand. Und zähe Tropfen von Öl. Ein Gast aus Holland sammellt den ganzen Kunststoff ein. Francis spielt am liebsten mit den Spielsachen anderer Kinder. Unterhalten uns mit Amerikanern aus N. Y. Der Mann erzählt, dass er einen Kater in sein Haus gelockt hat wegen der Mäuse. Yesterday he was just a street cat now he is the owner of a house. Seine Freundin hat eine ganz tiefe, rauchige Stimme. Ein anderes Paar, welches mit uns auf den life-jacket Kisten der SANTORINI gelagert hat, macht sich auf den Rückweg. Der Mann ist Zigarrenraucher, die Frau tätowiert. Die Holländer aus Amsterdam gehen auch. Ihre Tochter Sherda ist Franzis Spielgefährtin auf diesem Strand. Zwei Fraue mit kurzen blonden Haaren bleiben noch. Eine Französin mit roten gelockten Haaren, die ich in vergangenen Jahren schon hier gesehen habe, liegt noch im Sand. Ihr Begleiter, ein Schweizer aus Lausanne, war gestern bei unserem Nachbar zu Besuch. Der ist ebenfalls Schweizer und malt hier popige Schilder für Shops und Discos.

 



Fri, 15 May
Laufe am frühen Morgen wieder einige Längen am Strand. Sieben Leute schlafen im Sand.
Heide und Francis gehen auf Grund einer Auseinandersetzung zum Strand. Aus dem Nachbarhaus dringt Discomusic. Michele steht am Rande des Bassins und drückt seine eingeweichte Wäsche. Das Meer ist ganz ruhig, die Insel Sikinos ist ungewöhnlich klar zu erkennen. Sogar einzelne Häuser, wahrscheinlich Kirchen. Die Sonne brennt bereits herunter. Vielleicht sollte ich in den Pool springen. Keine lust zum Zeichnen, Trompete spielen in eventu. Nichts geht voran. Ein Eidechserl das kommt gut voran. Sonnenbrand von gestern und ein voller Bauch vom Frühstück. Eingeweichte Getreidekörner mit Spiegelei, Oliven, Zwiebel, Tomaten-Gurkensalat von gestern Abend, getoastetes Brot, Tahin....und der frische Ziegenkäse. Eine dreifarbige Katze liegt am Beton und schnurrt. Am Himmel hat sich eine diesige Ebene eingeschoben. Das Meer ist ruhig und glitzert. Die Luft ist voll von Insektenflügen, ein Vogel zwitschert ausdauernd in dem grossen Baum hinter dem Wasserbassin. Eine Hummel fliegt mit Gebrumm unter dem bamboo roof der Terasse. Was machen die Erdäpfel, die ich unlängst auf das Feuer gestellt habe? Der Wind schiebt ein sprödes Blatt über die Veranda des Nachbarn, der offenbar gerade Siesta hält. Heute morgen ist er mit seiner Ausrüstung zum Hotel IOS PALACE aufgebrochen, um die Tiefe im swimming pool, grafisch darzustellen. Der Spezialanstrich dortselbst, der drei Tage zum Trocknen benötigt, hat ihn unverrichteter Dinge wieder zurückkehren lassen. Eine leichte Brise weht undefinierbare Bruchstücke von Musik heran. Das Geläute der von den Ziegen durchs Gelände getragenen Glocken scheint nicht mehr auszureichen. Im Ort gibt es zwei Zweirad Verleihe mit zusammen an die hundert Exemplare. Sikinos liegt mittlerweile undifferenzierbar in einer milchigen Diesigkeit. Landlord Drakos trägt heute Militärhose und blaues Hemd aus USA und Strohhut. Er arbeitet mit der Harke in seinem Lieblingsgarten. Vom pool rinnt das Wasser in einer Furche bis zu ihm und er lenkt es vor Ort zu Zwiebelbeete und Zitronenbäume. Drakos hat fünf Kinder. Costas führt die Taverne, eine Tochter ein Hotel in der Nähe des Restaurants. Ein Sohn lebt in USA und besitzt eine factory in Portland, Oregon. Zweimal war der alte Herr schon dort. Der Sohn sagt immer, er solle nichts mehr arbeiten. Davon hält er jedoch nichts. Der Schäfer befindet sich heute ganz oben auf dem Berg. Mit unterschiedliche Pfeiftönen und Zurufen scheint er die Tiere zusammenzuhalten. Ein Nachbar, ein Deutscher, kommt vorbei und schwemmt seine Wäsche beim Bassin. Das Haus, das er bewohnt, gehört einem alten Mann, der mir gestern eine Menge Zwiebel zu einem günstigen Preis überlassen hat. Er heisst Metos und sein Sohn führt an der Strasse nahe dem Restaurant Far Out ein Geschäft. Vor Jahren hat der Mann dabei ein unglaublich verdriessliches Gesicht gemacht. Habe damals mit meinem Bruder in dem Haus des alten Mannes auf dem Dach des Hühnerstalls geschlafen. Das Haus selbst wurde von Italienern bewohnt. Die Mosquitos haben uns gequält, da wir keine Netze hatten. Jeden Morgen haben wir zusammen Dutzende Chapatis, Fladenbrote, mit Glasflaschen ausgerollt und in Olivenöl, das wir zum Grossteil in Kirchen rekrutiert haben, gebraten. Am Abend haben sich die Italiener mehrerer Häuser auf einer Veranda getroffen und ein Programm durchgezogen, das mit MÜDE & SCHWACH bezeichnet werden konnte. Eine von uns angefertigte Wasserpfeife aus Kunststoffflasche, Glasflaschenhals und Bambusrohren ist solange gestopft und im Kreise gereicht worden, bis niemand mehr etwas zu sagen imstande war. In unserem Haus klebt noch ein Abziehbild an einem Balken. Porta Portese, Via Eustachi 28. Ein shop in Milano. Eine Frau in nostalgisch anmutenden langenm Kleid und eine alte Truhe, voll mit Kleidern. Sind damals zusammen von der Insel weggefahren. Am Schiff sind wir in einer Halle mit Flugzeugsitzen gesessen. Ich habe mir von zwei Leuten, die schon kontrolliert worden waren, durch ein Fenster ihre Tickets ausgeborgt, da wir kaum noch Geld hatten. Von Piräus sind wir mit der Metro bis ans andere Ende, Kifissia, gefahren, haben dort noch eine acht Kilo schwere Wassermelone gekauft und versucht per autostop weiterzukommen. Schliesslich hat uns ein Jugoslawe bis nach Sarajewo mitgenommen und uns noch bei seiner Familie zum Frühstück eingeladen. Kaum Verkehr. Die acht Kilo Melone immer noch im Alukoffer. Jedoch nicht mehr lange. Wir sind durch kleine Dörfer gekommen aber das Ziel war eigentlich Südfrankreich. Die Weinernte. Nächtliche LKW Fahrt, vorbei an beleuchteten Industrieanlagen voll Betriebsamkeit. Versuchen im Schutz des Vordaches eines öffentlichen Gebäudes die Schlafsäcke auszubreiten. Vertrieben worden. Übernachten schliesslich in Jayce in der Nähe des Wasserfalls auf jemandes Terrasse oder war es bloss ein öffentlicher Platz. Kein Weiterkommen per autostop. Müssen schliesslich einen Bus von Banja Luka zur Hauptverkehrsstrasse nehmen. Autoprevoz Banja Luka. Ein Franzose in einem Wellblech Citroen Bus nimmt uns bis Portogruaro nahe Caorle mit. Meine damalige Freundin hat sich dort mit ihrem jüngeren Bruder aufgehalten, um ihren Eltern einen Gefallen zu tun. In Portogruaro nichts zu essen gefunden, bloss Elektrogeschäfte. Auf die Idee nach Caorle zu fahren, wären wir nie gekommen. Entsetzlicher Ort. Von dort wieder wegzukommen ist sehr schwierig. In den Autos sitzen bloss Österreicher mit Frau und Kind und schauen mit offenem Mund beim Fenster hinaus. Verbringen nahezu den ganzen Tag auf der Autobahnauffahrt. In der Dunkelheit versuchen wir, direkt auf der Autobahn wegzukommen. Tatsächlich bleibt ein Fahrer nach hundert Meter Bremsweg stehen und nimmt uns bis Milano mit. Wir verkriechen uns hinter das Gebäude der Raststätte und versuchen unter einem schmalen Dachvorsprung Schlaf zu finden, da es zu regnen beginnt. Riesige Mosquitos foltern uns bis der Tag endlich anbricht. Packen die nassen Schlafsäcke ein und landen irgendwie in Genua. Versuche durch ein Kunststoffsackerl eine gewisse Trockenheit in meinen Schuhen zu erzeugen, was aber nicht gelingt.
Spaziere am Abend ins Dorf. Auf der Terrasse des Restaurant FAR OUT sitzen die Gäste alle mit dem Rücken zum Meer. An der Hausmauer sind zwei TV Apparate montiert. Die Söhne des Herrn Farout sitzen abseits und langweilen sich hoffentlich. Gehe auf dem alten Eselspfad ins Dorf hinauf. Nahe des Hotels IOS PALACE fängt es leicht zu regnen an, was man hier als sehr angenehm empfindet. Im Ort gibt es zahlreiche Discos in altertümlichem und rusticalem Design. In der Nacht Sturm.


Sat, 16 May
Am Strand Kolizani. Die Sonne scheint, der Sand brennt auf den Fussohlen. Eine kleine Welle nach der anderen verläuft sich im Sand. Francis und das holländische Kind Scherda schlafen. Scherda unter einem Sonnenschirm, Francis unter einem Verschlag aus Bambusstangen, an denen Tücher festgebunden sind. Das Gebilde kann jederzeit vom Winde verweht werden. Am Strand halten sich etwa zwei Dutzend Besucher auf, davon drei Kinder. Die Französin mit den roten Locken und dem Himbeerlippenstift hört sich über Kopfhörer eine Cassette an. Ein Mann, der ziemlich braun gebrannt ist, watet im seichten Wasser. Die meisten Gäste aber liegen am Rücken und lassen sich von der Sonne wärmen, aufladen. Ein älterer Herr ist mehr im Wasser als am Land. Habe meine Taucherbrille mitgenommen. Nach dem Schnorcheln ist mir derart kalt, dass ich im heissen Sand liegend für eine Stunde wohl die Besinnung verliere. Das Resultat ist ein Sonnenbrand auf Ohren, Schultern, Rücken etc insgesamt ein Sonnenstich. Wanke ins Dorf hinauf und kaufe mehrere Kilo Kartoffel, Tomaten, Brot, ein halbes Dutzend Joghurt, a 225gr... und trage alles kilometertweit bis zu unserem Haus. Der Nachbar Herr Michele sieht den EInkauf und fragt wielange wir denn noch bleiben wollen?


Sun, 17 May
Der Nachbar besucht uns ziemlich aufgeregt und berichtet vom Verschwinden seines Brotes. Ein Vorfall, den offenbar wir verursacht haben sollen. Ein Messer ist ihm auch abhanden gekommen. Helfen ihm mit Brot aus. Etwas später wirkt er wieder ruhiger und setzt sich sogar kurze Zeit auf unsere Terrasse. Er erzählt von einem Lokal in dem nach der Sperrstunde auf Tischen getanzt worden ist. Heute geht er in den Hafen und wird für Acteon Travel Agency letters, bills und tickets entwerfen, was er selbst als shit work bezeichnet.
Halte mich beim Haus auf. Martin meint im Vorbeigehen, heute habe es eine Bullenhitze. Er hat über Nacht Besuch von zwei Frauen mit drei Kindern gehabt. Heute ziehen sie in ein benachbartes Haus, das Pannayotis Drakos gehört, dem Bruder unseres Vermieters.
Der Landgendarm spaziert vorbei. Ebenderjenige, der schon vor x-Jahren unangenehm aufgefallen ist. Tatsächlich ist es ziemlich heiss. Brütende Hitze, flimmernde Luft. Möglicherweise aber regnet es schon seit vier Uhr früh. Habe am Strand eine französische Illustrierte aufgelesen. L´EVENEMENT DU JEUDI. Die Schlagzeile: Pourqui le proces Barbie fait peur. Blättere in dem Magazin während Heide auf der Veranda ihre Wäsche durchdrückt. Francis weicht das gesamte Küchengeschirr ein und krabbelt dann auf meinem Sonnenbrand herum.


Mon, 18 May
Am Strand Kolizani. Sitze bekleidet im Sand, um weitere Verbrennungen zu verhindern. Denke sehnsüchtig an schwarzen Tee oder aggressiven Espresso. Der Tee raucht den Griechen schon beim Verladen aus oder später in den Lagerhäusern. Der sogenannte griechische Kaffee ist kaum mehr erhältlich, weil seit der Verwendung westlicher Espressomaschinen sich diese Prozedur nur noch privat abspielt. Francis und Scherda spazieren zusammen bis an das Ende des Strandes. Das steigert ihre Begeisterung so, dass sie beginnen Kieselsteine ins Wasser zu schmeissen. Es passiert, was passieren muss. Ein unsachgemäss geworfener Kiesel streift ein Kind und erzeugt dadurch Geschrei. Walter schiesst flache Steine auf die ruhige Wasseroberfläche. Vinci fotografiert die Kinder beim Anfassen der Sandkuchen. So ruhig wie das Meer sind auch die Gäste dieser Bucht. Die meisten liegen bloss in der Sonne, im Wasser wird mehr gewatet denn geschwommen. Ein Mann mit Strohhut treibt auf einem Surfbrett. Bleiben etwas länger im Dorf. Wie wir zu Hause ankommen, droht die Dunkelheit über uns hereinzubrechen. Francis will unbedingt noch ins Bassin, zieht sich dann ewig nicht an und Mosquitos fliegen.

 



Tue, 19 May
Über dem Pool flattert die frisch gewaschene Wäsche. Es befindet sich darunter ein grosses Leintuch, das ich als Strandgut an mich genommen habe. Es ist mir beim morgendlichen Lauf am Strand in die Quere gekommen. Ein eben zum siebentenmal aufwallender Kaffee rettet mich vor aufkommender Ermattung. In die brettebene Bucht von Mylopotamus schraubt sich eine Motorjacht und ankert. Habe noch Erdäpfel am Feuer, von letzterem aber ist nicht viel zu hören. Die Zeit vergeht auch hier sehr schnell. Müsste eigentlich im Mondenschein schon am Strand hin und her laufen um Zeit zu gewinnen. Von der Jacht in der Bucht wird ein Motorboot zu Wasser gelassen. Ein Schifahrer zieht eindrucksvolle Runden, versinkt jedoch später. Ein kleines Boot verschwindet hinter einer Landzunge Richtung Kolizani. Das ist Nordwest. Wenn der Zug aus Beograd Richtung Saloniki abfährt, das ist Südost, habe ich stundenlang das Gefühl, dass der Zug nach Zagreb fährt. Was immer ich für eine Geistesanstrengung unternehme, das Gefühl verschwindet erst in Nis oder Skopje oder eine Stunde vor Thessaloniki.
Eine Segeljacht ohne gehisster Takelage fährt langsam in die Bucht ein. Ein grosszüg gebauter Zweimaster. Vielleicht soll ich an den Strand gehen und das Schiff aus der Nähe anschauen. Ein weitaus wichtigerer Weg wäre die Landzunge hinter Drakos Restaurant hinaus bis zum offenen Meer. Dort gibt es flache Felsen mit Vertiefungen in denen Salz auskristallisiert. Wir haben kein Salz im Haus und das im Handel befindliche ist ja eine isolierte chemische Verbindung. Ein Schaf blökt, der Bus hupt, das Leintuch flattert im Wind. Warum ist es am Abend immer windstill? Stelle mir vor, auf einem Zweimaster unterwegs zu sein, als Besitzer etwa, und von Piraten angegriffen zu werden. Version alpha: Die Piraten lassen ein Ruderboot zu Wasser und nähern sich. Wir holen unsere Gewehre und schiessen auf das Boot. Daraufhin feuert Israel Hands, der Bordschütze von Captain Flint seine Kanone und versenkt uns. Version Beta: wir ergeben uns und werden über Bord geworfen. Der Kaffee ist zu Ende, die Erdäpfel sind hoffentlich weichgekocht. Die Wäsche darf im Wind bleichen. Denke an die Frau mit den zwei Kindern, die in ein Nachbarhaus eingezogen ist. Dieses Haus, ein schmuckloser Kubus ist mir von einem früheren Aufenthalt in Erinnerung. Zusammen mit Christina, meiner Freundin, meiner Schwester Rosa und ihrem zweieinhalbjährigen Sohn Daniel fliegen wir in der Hauptreisezeit nach Athen. Der Abflug in Wien ist bereits verspätet. Den Weiterflug nach Chania verpassen wir fürs erste und müssen im Flughafengebäude stundenlang warten. Von Chania fahren wir mit einem Bus nach Paleochora an die Südküste, wo ich meine Taucherbrille im seichten Wasser verliere. Ansonsten verlieren wir dort nicht viel Zeit und fahren wieder zurück nach Chania. Mit der Fähre nach Piräus und von dort nach Ios. Die erste Nacht verbringen wir im youth hostel des Eleftherios Platis, den ich von früheren Aufenthalten kenne. Nächsten Tag ziehen wir in den besagten Kubus im Garten des Pannayotis Drakos. Das neuzeitliche Bauwerk hat noch keine mit Bambus überdachte Veranda und da es nicht aus Stein gebaut ist, speichert es die Hitze wie ein Backofen. Rosa ist diese Hitze nicht so angenehm. Einige Tage später kommt ihr Freund Karl mit zwei Bekannten von mir, Maria und Traude, bei diesem Kubus an. Das haben wir so vereinbart. Meine Schwester kann sich mit dieser Situation nicht recht anfreunden und reist mit ihrem Sohn Daniel ab. Maria realisiert, dass sie schwanger ist, was ihr nicht wirklich in den Kram passt. Meine Freundin wird auch schwanger, wenn ich mich recht erinnere. Daniel war zu dieser Zeit ein wirkliches Omakind, wir mussten ihn regelrecht entführen. Leider aber hatte ihm die Oma schon eine Woche lang oder länger den ärgsten Horror eingetrichtert, sodass man nicht genau weiss, was er von dieser Reise wohl hatte.
Eingemachte Kirschenkompotte spazieren im Gleichschritt zur jugoslawischen Nationalhymne über verlassene Bergrücken auf der Insel Sikinos. Nur dem wachsamen Auge eines seinerzeit wegen eines dreckigen Fluches zu Stein erstarrten Cyclopen entgeht nicht, dass heute das von ihren Betreibern als neuestes, grösstes und schnellstes Schiff gepriesene ferry boat GEORGIOS EXPRESS eine nicht marketing konforme Verspätung aufweist. Wie heisst der Kapitän dieses Schiffes? Was sagte der Schiffskoch zum ersten Officier nachdem ihm jemand während des planmässigen Aufenthaltes in Ermoupolis ein Kunststoffsackerl voll Kutteln in die Kombüse gebracht hatte?
Unser Nachbar, der Schweizer freelancer Michele, ist erst am frühen Morgen nach Hause gekommen. Er erwähnt das Wort party, trinkt einen Kaffee und versucht mein Trompetengetöse mit einer audiocassette in Schach zu halten. Kurzerhand versperrt er seine Küche und geht wieder. Dazu fällt mir das Briefpapier des unseligen Castle Hotel in der Moi Avenue in Mombasa ein. Ein Hahn ist hinter einer Henne her. Darunter steht: always on duty. Freitag ziehen wir hier aus. Vielleicht mieten wir das Haus beim Brunnen. Vor einigen Jahren habe ich einmal darin gewohnt. Es ist aber etwas heruntergekommen. Die Fensterstöcke benötigen Mörtel, die Wände müssen gekalkt werden. Die Wandmalereien dort hält man nicht aus auf die Dauer.

 



Wed, 20 May
Die Sonne wird von einer diesigen Wolkenschicht bedrängt. Die ganze Bucht liegt in trübem Schleier. Die Insel Sikinos ist bloss schemenhaft zu erkennen. Eine Segeljacht, bar jeden Tuches am Mast, steht in der windstillen Bucht. Heide schält die Kartoffeln, die ich am frühen Morgen auf das Feuer gestellt habe. Sie sind schwarz, weil sie auch noch am Feuer waren, als das Wasser bereits verdampft war. Der erste Mosquito fliegt einen Angriff oder handelt es sich um einen Aufklärungsflug? Nippe kurz vor einer Ohnmacht noch an einem traditionell sechsmal aufgewallten griechischen Kaffee und fasse den Entschluss, ein Stück in die Berge zu spazieren. Beginne gerade mit den Vorbereitungen, da fällt Heide auf die verlassenene Bettstatt und versinkt in Ohnmacht. Spaziere mit Francis an Georgios Monogios Garten und dem angeketteten Hühnerhund vorbei in das ausgetrocknete Flussbett mit den blühenden Oleanderbüschen. Dann einen Eselpfad einen Hang hinauf, vorbei an einem alten Eselstall in dem Stroh lagert. Der Weg verliert sich im Gesträuch oder ich verliere den Weg, jedenfalls kommen wir nicht weit. Michali, dem ein benachbartes Feld gehört, das rundum mit Bambus geschützt ist, reitet auf einem Maultier vorbei, gefolgt von zwei Eseln. Er spricht so bildhaft und langsam, dass ich glaube einiges zu verstehen. Das Maultier heisst Francisco und Francis darf sich eine Weile daraufsetzen.
Der Abend ist ungewöhnlich kühl. Der Wasserstand im Bassin ist auf einem niedrigen Niveau. Francis schläft beim Essen ein. Verfrachte sie unter das Netz. Ein Mosquitostich juckt mich am Handrücken. Der Kaffee ist aufgebraucht.

 



Fri, 21 May
Wache sehr früh auf und schaue beim Fenster hinaus. Nehme an, dass noch finstere Nacht ist obwohl bereits der Morgen dämmert und falle wieder in Ohnmacht. Wie ich das Haus verlasse, arbeitet Georgios Drakos bereits in seinem Garten. Begegne mehreren Frühaufstehern während des Strandlaufes. Eine junge Frau sitzt nahe der Tretboote und Surfbretter im Sand. Zwei junge Touristen gehen Richtung Restaurant Drakos am anderen Ende des Strandes. Vor ein paar Tagen habe ich sie im Café des alten Louiso am main square gesehen. Louiso ist schon gestorben, sein Sohn führt das Café. Die beiden hatten eine Tequilaflasche in einem Kunststoffsackerl getarnt an der Hausmauer ums Eck deponiert. Von Zeit zu Zeit hat einer der beiden in einer Softdrinkdose Tequila zum Tisch gebracht und in andere Getränke gemischt. Sehe auch Metos, der rauchend auf seinem Esel sitzend, über den Strand reitet und dann zu seinem Garten abbiegt. Er ruft mir ein Wort zu, das sich wie Gymnastik anhört. Die Terrasse des Restaurant Far Out kehrt um diese Tageszeit bereits jemand. Von der Strasse biegt ein jüngerer Grieche mit drei Maultieren in den Strand ein. Der Mann scheint sich bereits geärgert zu haben oder er ist von Natur aus bösartig. Sehe kurz darauf Michali, der zu Fuss in Richtung seines Gartens geht. Laufe fünfmal den gesamten Strand hin und zurück.
Früher Morgen. Die Sonne steht über den Bergen inmitten eigenartiger Wolkengebilde. Mettos arbeitet in seinem Garten. Er zieht zu den Zitronenbäumchen Gräben, in die er dann Wasser aus dem Bassin leitet. Er trägt ein langärmeliges Unterhemd aus Schafwolle oder Baumwolle. Dazu die Originalkappe der Griechen. Drakos wiederum einen breitkrempigen Strohhut. Monogios eher einen eleganten. Am Hang tragen die Ziegen wieder die Glöckchen durchs Gebüsch. In der Ferne das Dröhnen von Schiffsmotoren. Drakos geht zu Mettos hinüber, der gerade Gräben zu seinen Weinstöcken zieht. Höre ein deutliches Kali Mera. Das ferry boat Lemnos durchmisst den Horizont. Drakos staubt aus einem Jutesack ein gelbes Pulver auf seine Weinstöcke. In den nächsten Minuten wird die Lemnos in den Hafen einlaufen und ihre Nebelhörner ertönen lassen. Eine Ziege meckert in der Nähe. Im Hinterland werkt ein Caterpillar. Die Sonne steigt über das Haus und wärmt mich auf der Veranda nach dem Bad im Bassin. Francis wacht auf.
Versuche die Umgebung zu zeichnen. Kaum ein Fortschritt nach den paar Blättern. Habe etwa mehr Erfolg bei der Jagd nach Mosquitos. Scheuche sie im Haus mit einem wehenden Handtuch auf und verfolge sie mit wachsamem Auge bis zu ihrem neuen Landeplatz, wo ich sie dann mit der Militärkappe zu erschlagen versuche. Keine Ahnung wie diese Biester ins Haus hereinkommen. Habe sogar den Schornstein schon mit einem Kunststoffsack verhüllt. Die Küche befindet sich ja im Freien. Nehme die Trompete zur Hand und spiele verschiedene Tonleitern. Versuche You need hands to hold someone you care for in verschiedenen Tonarten zu spielen. Desaster. Im Stehen auch noch Kreuzschmerzen dazu.
You need hands to show that you're sincere
if you hold a brand new baby
you need tender hands to guide them on their way
you need hands to thank the Lord for living and for giving us this day
you need hands to show the world you're happy
and you need hands when you have to stop the bus
but the hands we love so dear
but the hands we like to hear
are the hands that you give to us
Überlege, ob ich ins Dorf gehen soll. But it is already very dark. No moon. Michele bleibt heute auch zu Hause. Trinken eine Tasse Tee zusammen. Heide ist bei den Nachbarn, die in Monogios Haus wohnen zu Besuch. Dort habe ich auch ein paar Tage verbracht vor Jahren. Eine Wienerin mit Kind hatte das Haus gemietet. In Metos Haus wohnte Patrick, ein Franzose, der hier Bauer werden wollte. Er hat das Haus renoviert und in Monogios Garten gearbeitet. Er war mit einer Deutschen befreundet, die in einer etwas instabilen Vefassung war. Die Wienerin ist dann überaschend von ihrem Ex-Mann oder Ex-Freund besucht worden, was zu unangenehmen Auseinandersetzungen geführt hat. Die Frau war ganz unglaublich schlank. Meine Freundin ist dann auch nach Athen geflogen und über Nacht in der Bucht aufgetaucht und wir sind gemeinsam nach Wien zurückgeflogen.
Bei Kerzenlicht im Haus. Ein kräftiger Wind bläst das Dröhnen von Schiffsmotoren an Land. Ein mysteriöses Schiff fährt ausserhalb der Bucht bei stürmischer See mehrmals hin und her. Ist ein Boot oder ein Surfer verschollen? Wird Schmugglern aufgelauert oder werden Minen ausgelegt?

 



Fri, 22 May
Laufe in der Herrgottsfrühe am Strand hin und her. Noch öfter als gestern. Sabine frühstückt mit uns. Ihre Kinder sind schon sehr früh wach. Francis diese kleine Kröte will sich das Unterhemd vom Leibe reissen, dabei ist sie ohnehin schon halb ausgezogen und der Wind bläst heute infernalisch. Weisse Gischt am Meer. Der Strand ist weit hinein überflutet. Schaumkronen. An den Felsen meterhohe Gischt und haushohe Brecher. Von ferne das Dröhnen einer sieben Meter hohen Sturmflut. Ein Surfer ist pfeilschnell unterwegs. Der Wind bläst die Seiten meines Notizbuches auf und das Schreibzeug vom Tisch. Nervig. Auf dem Feuer steht eine Kasserolle, eine olle Konservenbüchse, eine pflaumenfarbene Pfanne, ein grösserer Topf und darin koche ich meine dreckigen Unterhemden und ein halbes Dutzend alter Suppenhühner gar, derweil in einer Ecke dieses Etablissements das Kleinkind mit einer halbaufgezogenen Avocado scherzt. Kurz das Schreibzeug im Stich gelassen, um den Kochvorgang zu überwachen und schon wird es vom Winde verweht. Das Gerät fällt so unglücklich, dass die Kugel beschädigt wird, die den farbigen Mineninhalt verteilt. Solche Ereignisse und Verkettungen tragen entscheidend zu einer Dissoziation meiner mühevoll aufgebauten Kohärenz bei. Möchte wissen warum ich noch nie gesurft bin. Tennis spiele ich auch nicht.
Georgios Monogios spaziert von seinem Garten kommend nach Hause. Er schenkt Francis eine Zwiebel. Muss jetzt unbedingt einen Kaffee aufs Feuer stellen. Gehe am Abend ins Dorf. Trinke am main square bei Plakiotis einen Kaffee. Das Café ist leider umgebaut. Die filigranen Tische und Sessel, die Spiegel an der Wand und sonstige spärliche Einrichtung ist einer protzigen Bar gewichen. Obendrauf thront ein TV Gerät. Der Sohn des alten Haudegen spielt Musicclips. Das sound System ist so dominant, dass man sich nicht mehr unterhalten kann. In den meisten Lokalen. Dazu der sorglos zubereitete Kaffee und billige Spirituosen. Die Barbesitzer nennen das nice drinks, good coffee und friendly athmosphere. Vor Jahren habe ich einen Barbesitzer gekannt, der mir die grossen Korbflaschen gezeigt hat, aus denen er Markenspirituosen nachfüllt. Costas Kritsalis hiess der Mann und seine Bar Kukuvaya. Habe ihn aber aus den Augen verloren.


Sat, 23 May
Finde zwei linke Badesandalen in Kolizany. Drohe nach dem Frühstück einer Ohnmacht anheim zu fallen. Meine Angehörigen verhindern das und überreden mich zu einer Busfahrt in den Ort Ios. ROOMS. Best view over Ios. Privat shower. New appartments. Ask the driver. Am Rückspiegel hängt eine T-shirt Miniatur: Disco 69. Try it you will like it. Der Bus ist voll. Auf den Gepäckstücken der Fahrgäste stehen Namen wie Berghaus, Lowe, Carrimor, Kohla, Millet...1972 jedenfalls gab es hier noch keine Strasse.
In einem Gemüsegeschäft gibt Heide ein mittleres Vermögen aus. Für ein Sackerl Kirschen 630.-Drm X $ ausgeebn, das finde ich jenseits von Eden. Spazieren zum Strand Kolizany hinunter. Ganz wenige Gäste. Treffen das Paar aus N.Y. Der Mann liest Herald Tribune.


Sun, 24 May
Früh auf aber Drakos geht schon am Haus vorbei in seinen Garten. Erschlage ein paar Mosquitos, die beim Fenster hinauswollen. Die Schwierigkeit dabei ist, das Gitter dabei nicht zu beschädigen. Gehe an den Strand. Schleppe mich, da mich das Kreuz schmerzt in der Kreuzbeingegend. Laufen ist jedenfalls angenehmer als Stehen. Einige Leute treiben sich um diese Zeit bereits am Strand herum. Ein grosser, stärkerer Typ in einem pyjamaähnlichen Gewand spaziert entlang der Wasserlinie. Ein kleiner, stämmiger, bärtiger Typ, wahrscheinlich Grieche. Scheint auf der Suche nach Strandgut zu sein. Eine blonde Frau in Jeans und Stiefeln. Der Mann, der im Restaurant Far Out zusammenkehrt. Metos auf seinem Esel und einer Zigarette im Mund. Ein griechisches Paar, die Frau mit einem Kind, beide auf Maultieren unterwegs in Richtung Berge, das heisst zu entfernten Buchten wie Klima oder Manganari. Begleitet von einem mit Strohbündeln bepackten Esel. Koche zum Frühstück einen Griessbrei. Stehe in den gefundenen Badesandalen bei der Feuerstelle und stosse mir weiss der Teufel wie an einer Steinplatte eine Zehe derart an, dass es die Kuppe wegfegt und den Nagel hebt. Francis ist guter Dinge an diesem Morgen. Nach dem Frühstück stösst sie mit dem Fuss so unglücklich irgendwo am Beton an, dass sie sich die Kuppe der grossen Zehe abreisst. Jammer. Notgedrungen bleiben wir beide zu Hause. Heide sucht das Weite, weil sie das Jammern nicht mehr erträgt. Francis schreit von Zeit zu Zeit ein schneidiges Heidi in die Welt hinaus. Hüten das Haus und werden von Fliegen gequält.
Über der Insel Sikinos tauchen Wolken auf. Vielleicht entstehen die dort. Der Wind fährt durch die mit Weinreben umrankte Veranda. Ein Kochtopfdeckel wippt im Wind. Der Bus hupt in der Ferne. Francis steht vor mir und beschwert sich, dass die Kinder von Lisa und Sabine, die bei unserem Nachbarn Martin zu Besuch sind, im Bassin herumplanschen. Sie kann nicht wegen ihrer Verletzung. Vor mir steht ein Jogurthbecher. padte??? G??????? ?G?????S ?? ??T?G???.
Abends windstill. Flüchte ins Haus. Vorsorglich am Nachmittag schon die Mosquitos gebeten, das Haus zu verlassen. Alsbald aber höre ich schon dieses alarmierende Fluggeräusch. Denke an einen Flammenwerfer, der auch indoor einsetzbar ist. Sind denn für diese unangenehmen Creaturen keine natürlichen Feinde konzipiert worden? Damals. Kleine fleissige Vögelchen etwa. Francis und Heide halten sich bei den Nachbarn Sigrid und Rainer auf, die in Monogios' Haus wohnen. Das Wasser im Bassin ist ungewöhnlich warm heute und der Duft der rundum wuchernden Sträucher betäubend. Liste der nach Piräus abfahrenden Schiffe. Sonntag und Donnerstag 9:45 Uhr, GEORGIOS EXPRESS. Montag 9:00 Uhr, LEMNOS. Dienstag 10:30 Uhr, Georgios Express. Mittwoch, SANTORINI. Freitag 8:30 Uhr, DELOS nach Rafina. Samstag 10:45 Uhr, SANTORINI.


Mon, 25 May
Reisevorbereitungen. Wäschewaschen. Suche unseren Vermieter Georgios Drakos auf und bezahle die Miete. Fahren mit Sigrid ins Dorf und besuchen das Lokal ??US??S. Gabriele, eine Freundin von Sigrid, kommt seit Jahren immer wieder nach Ios und weiss einiges zu berichten. Auf dem ursprünglich einzigen Weg zum Hafen, einer Art Treppe, kommen wir an einem Maulbeerbaum vorbei und bleiben gleich. Die Früchte ähneln Brombeeren und schmecken überaus süss.
Das Kind ist etwas anstrengend, die Mutter entnervt. Abend. Wasche das Geschirr mithilfe der Holzasche von der Feuerstelle in der Küche. Der Himmel ist bedeckt, das Meer unheilvoll ruhig. Heide sucht das Weite in Richtung Sigrid und Reiner. Francis wickelt ihre Puppe in ein Cellophansackerl. Überlege ob ich noch einen Kaffee aufs Feuer stellen oder aber einen Spaziergang zu den Restaurants am Strand machen soll, um dort ein Bier zu trinken und ein Cigarillo zu rauchen.


Tue, 26 May
Kein Strandlauf an diesem Morgen. Hole bloss Wasser vom Brunnen und mache Feuer. Bringe Costa Drakos die Leintücher zurück. Er scheint noch zu schlafen, aber seine Mutter nimmt sie gerne entgegen. Treffe am Rückweg Georgios Drakos und verabschieden uns mit einem Händedruck. Etwa drei Wochen lang haben wir einander täglich kurz nach der Morgendämmerung begegnet. Aufbruch. Gehen am Haus von Martin vorbei und verabschieden uns von Julia und Sabine und den Kindern. Auf dem Weg zum Bus kommen wir an einem ausgetrockneten Brunnen vorbei in den wir ein paar Münzen schmeissen. Im Bus bemerkt Heide, dass sie die kleine Geldbörse mit den Münzen verloren hat. Im Hafen warten wir in einem Café auf die Ankunft des Schiffes. Michele, unser unmittelbarer Nachbar, verabschiedet Freunde. Rainer leistet uns Gesellschaft. Er hat das Geldbörsel gefunden und die Passfotos von Heide und Francis darin entdeckt.
Auf dem ferry boat GEORGIOS EXPRESS. Scheint einmal ein belgisches Schiff gewesen zu sein. Rettungsboote mit der Aufschrift auf Metallplaketten: ROI BAUDOIN OOSTENDE, überpinselt mit griechischen marine paints. An anderer Stelle: NIET ROKEN. In einem kleinen Kästchen mit Glasscheibe und Hammer zum Einschlagen: NOODSTOP. BUITENBOORDPOMPEN. das Schiff ist über 100m lang, 15m breit und bis zu Deck B 10m hoch. Draught 3.8m. Speed knots 20. Twin screw diesel propulsion 9000bhp. Passengers 1525. Crew 60. Cars 170. AFSLUITERS AAN BRANDSTOFOLIETANKS No 3 KETEL
No 2 HULPMOTOREN
No 1 HOOFDMOTOREN
In Geval van brand in machinekamer glas inslaan en alle hefbomen overhalen ook aan bakboord. COCKERILL OVGREE HOBOKEN 1965. ZWEMVEESTEN.
Heide ist mit dem eingeschlafenen Kind an einen deckchair gefesselt. Naxos in Sicht. In der Ferne hohe Berge, in Küstennähe Caterpillar, LKW und Staubwolken. Das Schiff fährt nahezu lautlos in die Bucht ein. Ein Nebelhorn wird unter Druck gesetzt und pustet Francis aus dem Schlummer. Das Landemanöver ist in Gang.
Halte mich auf einem Bugdeck unter dem Cockpit, das heisst unter der Brücke auf. hier ist es am ruhigsten. Die Schiffsmotoren sind kaum zu hören. Dafür ist die Windstärke enorm. Knöpfe das Hemd unterm Pullover bis oben zu, mache die Jacke dicht und schlinge ein langes Tuch wie einen Turban um meinen Kopf. Der Wind bläst bei den Ärmeln in die Jacke hinein. Das Schiff nähert sich Kithnos oder ist es Kea?


Wed, 27 May


Thu, 28 May


Fri, 29 May
Hotel Fenix in Glifada. Zimmernummer 221. Ausblick auf einen Jachthafen, eine dreispurige Stadtautobahn und den Hotel-swimming pool. Das Hotel befindet sich neben der Startbahn des Internationalen Flughafens. Wir sind auf Einladung von Egypt Air hier bis Sonntag Abend einquartiert. Der von uns gebuchte Flug ist officiell von 14:30 Uhr auf 17:30 Uhr verschoben worden. Das Flugzeug aber ist tatsächlich um 15:00 Uhr abgeflogen. Wir sind um 16:00 Uhr in das office der Travel Agency Sunny Cruises gekommen, um die Tickets abzuholen. Frühstück im Hotel Fenix. Zwei kleine in Alu verpackte Butterstückchen, eine ebenso verpackte Menge Marmeladeimitat, zwei Stück Zwieback, Haltbarmilch, ein cellophaniertes Stück süsser Kuchen, Orangeade, Kaffee. Francis findet es ganz vergnüglich am swimming pool. Unterhalte mich mit Vira aus Perth, Australien. Sie und ihr Mann Gavin wollten ebenfalls nach Cairo. Der travel agent empfiehlt ihnen noch ein Restaurant, wo er kurz nach Bestellung der Speisen auftaucht und ihnen mitteilt, dass das Flugzeug früher abfliegt. Sie nehmen ein Taxi zum Hotel, holen das Gepäck, bezahlen die Rechnung und fahren zum Flughafen. Das Flugzeug aber ist schon gestartet. Gavin ist heute in die Stadt gefahren, den travel agent zu treffen. Sie haben eine Tour gebucht. Hin- und Rückflug, Tagestour in Cairo, Flug nach Luxor, das Tal der Könige und zwei Tage zur freien Verfügung in Cairo. 1100 Australische Dollar oder 110 000 Drm. Vira ist aus Wales, Gavin hat schottische Vorfahren.
Der Flugzeuglärm ist heute erträglich. Die Maschinen fliegen nicht direkt über das Hotelgebäude. Das Zimmer kostet zwischen 3500 und 4700 Drm. Das Frühstück 300 Drm, dinner 900 Drm. Zwischen Hotel und Autobahn gibt es noch einen Platz, wo Boote repariert und aufpoliert werden. Trotz des Verkehrslärms segeln Schwalben durch die schlechte Luft. Entschliesse mich zu einem Spaziergang. Komme aber nicht weit. Ein etwa drei Meter hoher Zaun, obenauf abgerollter Stacheldraht, begrenzt das Flugfeld. Etwas weiter östlich endet das Flugfeld, der Zaun führt ins Landesinnere und dann zurück zum Flughafen. Die startenden Maschinen sind direkt über mir. Der Lärm ist gewaltig. Geradeaus befindet sich der Eingang zum Glifada Golf Club. Das Areal ebenfalls durch einen hohen Zaun abgeschirmt. Retour. Unter der Startbahn durch, entlang von Bootsparkplätzen und ehemaligen Luxusvillen, deren Besitzer längst das weite gesucht haben.
Im Hotelfoyer. Ein Hotelgast aus dem Fernen Osten versucht Ankara und Istanbul zu erreichen. Vergeblich. Always busy, sagt der Receptionist.
Unterhalte mich mit dem Hotelmanager über das Essen. Er erklärt mir höflich, dass es sich um ein internationales Menü handelt. Griechisches Essen gibt es in diversen Tavernen. Mit Egypt Air hat das Hotel ein special agreement. Von 900 Drm per Dinner könne man nicht so ohne weiteres ausgehen. Er telefoniert sofort mit der Küche und veranlasst, dass zumindest ein Salat für uns vorbereitet wird. Dass uns heute das Menü von gestern vorgesetzt worden ist, überhört er.
Abendessen. Als Vorspeise Spaghetti. Dann ein faschiertes Laibchen und ein Spiegelei darüber. Dazu Erdäpfelpüree. Instantpüree. Und der Extra Salat. Verlassen den Speisesaal und fahren in die Stadt. Der Busfahrer rast. Wir haben Mühe, uns auf den Sitzen festzuhalten. Die Hotels der Küste ziehen vorbei, ein Lunapark, mehrere Schwimmbecken, eine Minigolfanlage. Der Bus biegt in Richtung Zentrum ab. Vorbei an Autosaloons, modernen Wohngebäuden. Enormes Verkehrsaufkommen und Stau in der Nähe des Syndagma square. Besuchen ein Puppentheater in der Nähe der Odos Adrianou. Francis gefällt es aber nicht.


Sat, 30 May
Mitternacht. Ungebrochener Automobilverkehr, durchbrochen von aufheulenden Motorradmotoren oder dem Scheppern eines auseinanderfallenden Busses. Geräusche aus dem Nachbarzimmer dringen durch die dünnen Wände.