ATHEN-IOS-ATHEN-NAIROBI

Samstag 2 Mai
Nehmen einen Bus und fahren entlang der Küste bis zum ersten Jachthafen, Zea Limani oder Passalimani. Jede Menge Boote aber keines, das auslaufen wird. Über dem Jachthafen die Einflugschneise des Airports Glifada. Ein Flugzeug pro Minute. Ohrenbetäubender Lärm, wenn der Vogel seine Kurve fliegt.

 



Sonntag 3 Mai
Blicke vom fünften Stock auf den Hafen. Vier kleinere Frachter ankern am gegenüberliegenden Kai. Durch die benachbarte Strassenschlucht kriecht ein Müllfahrzeug mit Getöse. Franzis sitzt neben mir auf dem Balkon und isst Joghurt. Von der nahegelegenen orthodoxen Kirche dringen rituelle Gesänge durch den Verkehrslärm. Vis a vis im Hotel Serifos liegen die Damen zahlreicher Nachtclubs noch in tiefem Schlummer. Gegen Abend werden sie wieder glitzernde Röcke und Satin Schals probieren und sich am Bettrand sitzend schminken. Ein Tankwagen mit Anhänger kriecht durch die Gasse. Franzis hat ein nahezu weisses Kleid angezogen. Die Sonne scheint schon kräftiger. Der Himmel kann hier nie klar sein bei dem entsetzlichen KFZ Verkehr.
Nehmen einen Bus Richtung Flughafen. Fahren über Moschaton und Faliron hinaus. Kein Sitzplatz. Der Fahrer rast völlig unbegründet und lässt uns beim Jachthafen nicht aussteigen, weil dort keine Haltestelle ist, sagt er. Heilfroh endlich aus der Kiste herauszukommen. Im Jachthafen wird eifrig geputzt, geschliffen und gestrichen. Finde jedoch niemanden, der in den indischen Ozean aufbrechen möchte. Von der Küstenstrasse her dringt der nie abreissende Lärm des KFZ Verkehrs, regelmässig durchbrochen vom Gedröhn eines vollgas gefahrenen Motorrades und den Luftvibrationen von Düsentriebwerken beim Start der Maschinen. Ein herrlicher Tag nahe der Abflugschneise. Die Luft kann hier nie klar zu sein, bei all den Abgasen. Rückfahrt mit einem Buschauffeur, der bereits nach Dienstschluss noch unterwegs ist. Er fährt die Haltestellen mit hoher Geschwindigkeit an, leitete eine Notbremsung ein, lässt die Türen schon während des Bremsvorganges aufspringen, bevor sie ganz offen sind wieder zuschlagen und tritt gleich darauf das Gaspedal erneut bis zum Anschlag.
Versuchen uns in einem Café an der Hafenpromenade zwischen Hafenbehörde und S-Bahn zu regenerieren. Der Besitzer hat Platten aus den 50er Jahren in seiner Juke Box.
Blicke vom Balkon auf die Hotels Serifos, Ideal, Faros, Atlantis und Capitol, ferner auf die Bar Europa, Nightclub Figaro und Cyprian Bar. Weiter entfernt in der Gasse stehen auch drei sogenannte Arrestantenwägen. Dies bereits seit unserer Ankunft. Die sind dort offenbar stationiert. Es wimmelt hier von Uninformierten.
Unser Hotel liegt in der Odos Charilaou Trikoupi. Dort wo sie in die Uferpromenade mündet, liegt die Danae angetäut.
Gegenüber in einem Bürohaus mit Metallfassade putzt eine Frau die Büroeinrichtung. Ein Schrei aus einem Fenster im vierten Stock des Hotel Serifos, dort wo die Damen wohnen, die in den Nachtclubs arbeiten.




Montag 4 Mai
Besuch des Gilnavi Shipping Comp office. Weitergereicht an das Bureau von Hellantia, aber überall dieselbe Problematik. We don't accept passenger. Mit der Metro bis Omonia. Erkundigen uns bei Santos Air über einen Flug nach Jemen Nord. Der consul d'honoré ist nicht da. Die Büroangestellte gibt uns kein Visum ohne Flugticket. Suchen das Büro Sunny Cruises auf. Unser Berater Barry Rough empfiehlt uns, mit Egypt Air nach Kenya zu fliegen. Kämpfen uns zur British Embassy in der Vassilissis Sofias/Odos Ploutarchou durch. Die Sofias ist eine dreispurige Autobahn in beiden Richtungen, ein Inferno an KFZ Lärm und Abgasen. Flüchten in den dort gelegenen Park und bleiben in einem Café an einem kleinen Teich. In der Nähe stehen Zypressen, Trompetenbäume, Pinien voll mit Zapfen, blühende Fliederbüsche...
Suchen später noch Saudi Air, Sudan Air, Air Ethiopia und Aeroflot auf. Aeroflot fliegt einmal wöchentlich nach Mogadisho, jedoch von Moskau aus.
Spaziergang auf die Akropolis. Durch die verwinkelten Gassen der Plaka. Ausblick auf Rosenstöcke in der unmittelbaren Nähe und auf das dem Untergang geweihte Babylon in der Ferne.

 

Dienstag 5 Mai
4:30 Uhr Normalzeit. 6:30 Uhr Sommerzeit. Schaue vom Balkon auf den Hafen und schreibe einige Ausgaben in ein Buch. Beabsichtigen heute das Hotel Santorin zu verlassen. Im Hafen liegt seit letzter Nacht das russische Schiff Ivan Franco. Eine Flotte von Reisebussen wartet bereits nahe der Anlegestelle. An den Scheiben wird noch geputzt.
Aus der Strassenschlucht unter dem Balkon nähert sich wieder das Fahrzeug, das den Abfall abtransportiert. Ein sogenannter Arrestantenwagen steht mitten in der Gasse. Was wird dort verladen bei eingeschaltener Warnblinkanlage? Tauben flattern. Das Hotel Serifos liegt noch im Schlafe. Rundherum die übliche tröstliche Geschäftigkeit. Müssen noch unsere Sachen packen. Das Schiff heisst Santorini und fährt Syros - Paros - Naxos - Ios - Santorin. Endlich weg von dem stinkenden Piräus. Die Sicht ist schlecht, wird aber mit zunehmender Entfernung besser. Die Stadt liegt zurück in einer stehenden Abgaswolke. Passieren eine kleine Insel, wahrscheinlich Kithnos und die Ausläufer des Festlandes. Das Schiff ist mässig ausgelastet. Die Passagiere kommen aus dem Westen oder aus Japan. Noch eine kleine Insel zieht vorbei, Giaros. Grünes Buschwerk ist zu sehen, die Küste ist felsig und wild zerklüftet. Kein Haus. Heide sitzt in einem geschützten Winkel in der Sonne. Franziska schläft inmitten dumpfen Gedröhns.
Gegenüber ein Grieche, wochentags Nadelstreif, Pullover, Lederschuhe, Reisetaschen, Kunststoffsackerl. Wieder eine felsige Insel. Nackter Fels, kein Baum, kein Strauch. Finde einen alten Zettel in meiner Jacke. Liste der letzten Arbeiten am Tage des Aufbruchs. Rasieren, Fenster zumachen, Mausefallen, Tauben evakuieren, Instrumente und Fotokoffer im ersten Stock lagern, Rechnungen einzahlen, Taucherbrille einpacken....
Das Ende des Festlandes ist in Sicht. Der Tempel von Kap Sounion. Passieren die Insel Kea. Vereinzelt Häuser. Über die grossen Hänge ziehen sich längs- und querlaufende Steinmauern. Die Arbeit von Generationen. Nähern uns Ermoupolis, dem Hafen von Syros. Kahle steile Hänge im Norden der Insel. Eine Mauer zieht sich vom Meer den halben Hang hinauf, verläuft dann quer und verschwindet in einem Bogen über eine Kuppe. Ein einsamer fünfzig Meter breiter Sandstrand in einer kleinen Bucht zwischen Felsen. Querverlaufende Mauern auf den Gipfeln. Weitere kurze Sandstrände. Vereinzelt Häuser. Auf den Bergkuppen Stromleitungen, im Hintergrund Himmel. Die Hänge terrassiert. Ein paar Palmen. Hafeneinfahrt. Dry Dock der Firma Neoforion. Loukoumi Verkäufer entern das Schiff und durchkämmen es. Bestellen einen griechischen Kaffee in der Muster Station. Die langstielige Kanne ist original, dahinein aber wird das Dampfrohr der Kaffeemaschine gesteckt.
Die Eingeborenen sprechen ungeniert laut miteinander und es klingt immer sehr ernst. Ein ernsthaftes Volk. Die Männer verbringen viel Zeit mit dem Rauchen von Zigaretten. Franziska schiebt die verchromten Stühle herum und stellt sie in Reihen zusammen. Paros und Naxos liegen hinter uns. In der aufwendigen Muster Station sind mehrere TV Apparate in Betrieb. Draussen weht ein kaum erträglicher Wind.

 



Mittwoch 06 Mai
Spazieren früh an den Strand Mylopotamus und in das dahinterliegende Tal zu dem angemieteten Haus. Vom Garten des Georgios Drakos blicken wir auf den Strand, das Meer und auf die Insel Sikinos. Vor ein paar Jahrzehnten hat er selbst noch dort gewohnt. Heftiger Wind. Träume von einem Kaffee. Der Wind kippt ein Sperholzbrett hin und her, eine Wasserflasche aus Kunststoff rollt über die Terrasse. Das Rauschen des Meeres weht vorbei. Am nahen Hang tragen vereinzelt Schafe und Ziegen kleine Glöckchen durch die Büsche. Schwarz - grau geteilte Saatkrähen spazieren auf einem Feld. Die Skulptur von Helmut Kand ist etwas geschrumpft. Am Abend beruhigt sich der Wind schlagartig und es entstehen ideale Flugbedingungen für Mosquitos. Flüchten unter die provisorisch aufgespannten Netze und versuchen uns nicht zu rühren, denn die Monster umkreisen die Netze und das Geräusch nahe am Ohr schreckt mich sofort aus dem seichten Schlaf.

 



Donnerstag 07 Mai
In den Gärten des Georgios Drakos im Hinterland des Strandes Mylopotamus. Der rüstige alte Mann verstopft sein Wasserbassin und macht sich auf den Rückweg zum Restaurant seines Sohnes am Strand. Seine Gärten sind unsere Zuflucht auf dieser trostlosen Insel. Die Saison scheint noch nicht begonnen zu haben, denn die Restaurants sind geschlossen, die Pensionen versperrt. Das Tal hat verschiedene Zubauten erlebt seit unserem letzten Aufenthalt vor fünf Jahren. Mehrere kubische Rohbauten stehen im Weingarten unseres Vermieters. Eine Strasse führt von dort bis zur betonierten Strasse, die den Ort Ios mit dem Strand Mylopotamus verbindet. Drakos Sohn fährt mit dem 4WD KFZ über den Sandstrand zu seinem Restaurant. Auch Stromleitungen hat es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Spazieren am Nachmittag in den Hafen, die meisten Geschäfte sind noch geschlossen. Kaufen im Dorf ein und gehen dann wieder ins Tal hinunter. Am späteren Abend kommt unser Nachbar zurück. Er ist der Meinung, beide Häuser gemietet zu haben und sichtlich irritiert über unsere Anwesenheit.
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Freitag 08 Mai
Sonnig. Ein Bootsmotor knattert in der Ferne. Die Freundin unseres Nachbarn frühstückt mehrere Zigaretten, sieht uns aber nicht. Überlege ob ich meine Wäsche waschen soll. Keine Seife. Aufbruch zum Strand. Es weht ein derart heftiger Wind, dass ein Verweilen unmöglich ist. Am Abend besucht uns Georgios Monogios und schenkt uns Minze und Salbei aus seinem Garten. Er schreibt uns einige griechische Wörter auf und geht dann zurück zu seinem Restaurant am Strand.


Samstag 09 Mai
Früher Morgen. Eine dichte Wolkendecke überzieht den Himmel. Das Meer schickt seine Brecher an den Strand. Ein Hahn kräht in einem benachbarten Garten. Eine Ziege schreit im stacheligen Gebüsch. Hat sie sich verhängt? Völlige Windstille. Die Mosquitos sind ermattet und rasten in ihren Verstecken. Georgios Drakos, unser landlord, kommt mit seinem Esel in den Garten und beginnt unverzüglich Pflanzen zu setzen.


Sonntag 10 Mai
Laufe am Strand von einem Ende zum anderen. Der erste Autobus steht schon bereit. Der wird doch wohl nicht auf mich warten?
Entschliessen uns zu einer Wanderung über die Berge zu einem Strand, der früher american villa hiess. Der Weg, ein Eselpfad, führt entlang von Bergkuppen in etwa gleichbleibender Höhe. Nach ein, zwei Stunden sehen wir den Strand und das Haus. Es scheint nicht weit zu sein. Wir verlassen den Weg und versuchen querfeldein abzusteigen. Heide versucht, über Felsen hinunter zu gelangen, muss aber wieder umkehren. Ich gerate in undurchdringbares Dornengebüsch und muss mehrere male umkehren. Ziemlich erschöpfend mit Franzis am Arm. Irgendwie erreichen wir den Strand und rasten im Sand. Ein Stück vom Wasser entfernt liegen wie aufgefädelt kleine Teerkugeln im Sand und werden hin und wieder von den Wellen bewegt. Weiter entfernt liegen grössere, offenbar auch ältere Teerklumpen. Wehe dem, der irrtümlich darauf tritt oder das Handtuch hinlegt.
Wolken verdunkeln immer wieder die Sonne


Montag 11 Mai
Sonnig. Entschliessen uns zum Strand Kolitsani zu gehen. Auf halbem Weg vom Ort Ios kommend liegt ein altes Haus, in dem ich vor Jahren einmal gewohnt habe. Nächtens weht dort der Wind die Musik der Disco Scorpion vorbei. Das Haus fällt mittlerweile zusammen. Die Terassen auf dem benachbarten Berg sind in einem ähnlichen Zustand. Vier weisse und eine schwarze Ziege stehen auf dem Dach eines alten Eselstalls. Am Strand hat sich nicht viel geändert. Der Wohnwagen, der während der Saison Getränke anbietet ist noch verschlossen. Der Unternehmer hat offenbar nicht im Sinn, hier eine Taverne zu errichten. Alle umliegenden Berge sind terrassiert, werden aber nicht mehr bewirtschaftet. Die Terrassen beginnen wieder eine energetisch günstigere Form anzunehmen. Sie fallen zusammen. Es ist endlich so warm, das wir ins Waser gehen. Franzis ist voller Freude und geht mit mir. Sie rutscht aus, entgleitet mir und geht unter im knietiefen Wasser. Das dämpft ihre Euphorie etwas. Das Salzwasser brennt in den Kratzern, die uns das dornige Gebüsch beim Abstieg zur american villa zugefügt hat. Kaufen ein paar Fische im Dorf und gehen zu Fuss nach Hause. Der Abend ist wieder völlig windstill und voll von jenem unheilvollen Geräusch, das entsteht, wenn ein Mosquito durch die Luft gondelt. In der Nacht weckt mich das Scheppern eines Topfes. Den Resten des Fischgerichtes scheint nachgefragt zu werden. Der Mond ist nahezu voll.


Dienstag 12 Mai
Stehe in der Morgendämmerung auf und spaziere an den Strand. Laufe ein paar mal hin und her.
Am Himmel hängt eine diesige Wolkendecke. In der Bucht stehen drei Fischerboote. Von einem der Berge tönen die kleinen Glocken, die von Ziegen herumgetragen werden. Im Garten des Georgios Monogios bellt der angekettete Hühnerhund. Wahrscheinlich ist er voller Zecken. Sollte den Hirten am Berg aufsuchen und um Käse fragen. Zünde ein Zigarillo an. Das Frühstücksfeuer scheint ausgehen zu wollen. Unfern eine Unterhaltung in der Landessprache. Heide hustet unter dem Mosquitonetz. Franzis begrüsst den Morgen. Eine Jacht, die über Nacht in der Bucht vor Anker lag, entfernt sich Richtung Sikinos.
Die Nacht windstill und drückend. Ein Mosquito schafft es unters Netz.

 



Wed, 13 Mai
Sehr früh auf. Der Himmel wolkenbedeckt. Gehe an den Strand und laufe von einem Ende zum anderen. Nicht ganz. Dort wo die Strasse in den Ort Ios beginnt und das Restaurant Far Out liegt, werden weggeworfene Kunststoffprodukte zusammengetragen und abgefackelt. Atemraubende Schwaden ziehen durch die Umwelt. Verlasse den Strand und verweile beim Brunnen in der Nähe des Hauses. Etwas später, im Verlaufe eines Atemzuges, ein leichten Stich zwischen den Schulterblättern und ich verbringe die nächste zeit als Statue.
Entschliesse mich trotzdem, den Hirten am Berghang aufzusuchen. Von Ferne scheint er schon ungehalten, obwohl ich seine Koppel gar nicht betrete und er ruft mir gestikulierend 'wohin?' zu. Nähere mich ihm vollends und schreie ihm grusslos meine Frage nach Ziegenkäse entgegen.
Entschliessen uns zu einer Wanderung entlang des ausgetrockneten Flussbettes. Am Ende des Tales steht ein gewaltiger Baum, wahrscheinlich der grösste der Insel. Eine Pinie mit riesigen Zapfen. Treffpunkt oder Wohnsitz einer Vogelpopulation. Gekreisch, Geflatter und jede Menge Vogelschiss rund um den Baum. Klettern noch den benachbarten steilen Hang hinauf zu einem verfallenden Haus. Die Aussicht über die gesamte Bucht ist phänomenal. Die Terrassen ums Haus sind lang und schmal, die Mauern etwa zwei Meter hoch. Die Arbeit eines Vaters und seiner fünfzehn Söhne. Knapp unterm Haus befindet sich der Brunnen und auch Wasser.
Früh ins Bett. Kaum Mosquitos im Haus, da ich auch die Löcher im Fensterstockbereich verstopfe.


Dienstag 14 Mai
Träume von einer Prozession bei der Transparente getragen werden. Gehe ein gutes Stück voraus. Am Rande ein Spalier von Menschen, die mir zurufen, ich solle abhauen. Treffe weiter vorne den Bürgermeister meines ehemaligen Heimatortes, der mich mit einem Schmäh aus der geplanten Route herausmanövriert und das Blaue vom Himmel verspricht. Weise auf dieses und jenes hin, er zuckt aber bloss mit den Schultern. Ein Stück weiter, meine Trompete befindet sich in einer Rezeption oder Gepäcksaufbewahrung, schnorren mich auf einer Fussgängerbrücke zwei Typen um Geld an. Ein dritter kommt hinzu und zeigt Interesse an meinem Messer. Sehe mich gezwungen, dasselbe herauszunehmen und den Spuk zu beenden. Entferne mich oder erdolche alle. Am Schluss eine Autobusfahrt, die in meinem ehemaligen Heimatort endet, in den eine dreispurige Vassilissis Sofias führt mit vielen Mopedfahrern.
Laufe am Strand hin und her. Nicht an der Wasserlinie, weil dort ist das Terrain zu uneinheitlich, obwohl an manchen Stellen der Sand ganz hart ist, sondern einige Meter vom Wasser entfernt in den Reifenspuren der 4WD KFZ von Drakos und Monogios.
Taumeln am Strand Kolitsani herum. Das Sonnenbad habe ich bereits hinter mir, es folgt the protective part. Eine widriger Wind treibt Kunstoffsackerlfragmente an den Strand. Und zähe Tropfen von Öl. Ein Gast aus Holland sammelt den ganzen Kunststoff ein. Franzis spielt am liebsten mit den Spielsachen anderer Kinder. Unterhalten uns mit Amerikanern aus N. Y. Der Mann erzählt, dass er einen Kater in sein Haus gelockt hat wegen der Mäuse. Yesterday he was just a street cat now he is the owner of a house. Seine Freundin hat eine ganz tiefe, rauchige Stimme. Ein anderes Paar, welches mit uns auf den life-jacket Kisten der SANTORINI gelagert hat, macht sich auf den Rückweg. Der Mann ist Zigarrenraucher, die Frau tätowiert. Die Holländer aus Amsterdam gehen auch. Ihre Tochter Sherda ist Franzis Spielgefährtin auf diesem Strand. Zwei Frauen mit kurzen blonden Haaren bleiben noch. Eine Französin mit roten gelockten Haaren, die ich in vergangenen Jahren schon hier gesehen habe, liegt noch im Sand. Ihr Begleiter, ein Schweizer aus Lausanne, war gestern bei unserem Nachbar zu Besuch. Der ist ebenfalls Schweizer und malt hier popige Schilder für shops und Discos.

 



Freitag 15 Mai
Am frühen Morgen am Strand. Sieben Gäste schlafen im Sand.
Heide und Franzis gehen am Vormittag zum Strand. Aus dem Nachbarhaus dringt Discomusic. Michele steht am Rande des Bassins und drückt seine eingeweichte Wäsche. Das Meer ist ganz ruhig, die Insel Sikinos ist ungewöhnlich klar zu erkennen. Sogar einzelne Häuser, wahrscheinlich Kirchen. Die Sonne brennt bereits herunter. Könnte vielleicht in das Bewässerungsbassin springen. Keine Lust jedenfalls zum Zeichnen, Trompete spielen eventuell. Nichts geht voran. Ein Eidechserl das kommt gut voran. Sonnenbrand von gestern und ein voller Bauch vom Frühstück. Eingeweichte Getreidekörner mit Spiegelei, Oliven, Zwiebel, Tomaten-Gurkensalat von gestern Abend, getoastetes Brot, Tahin.. und der frische Ziegenkäse. Eine dreifarbige Katze liegt am Beton und schnurrt. Am Himmel hat sich eine diesige Ebene eingeschoben. Das Meer ist ruhig und glitzert. Die Luft ist voll von Insektenflügen, ein Vogel zwitschert ausdauernd in dem grossen Baum hinter dem Wasserbassin. Eine Hummel fliegt mit Gebrumm unter dem bamboo roof der Terasse. Was machen die Erdäpfel, die ich unlängst auf das Feuer gestellt habe? Der Wind schiebt ein sprödes Blatt über die Veranda des Nachbarn, der offenbar gerade Siesta hält. Heute morgen ist er mit seiner Ausrüstung zum Hotel Ios Palace aufgebrochen, um die Tiefe im swimming pool grafisch darzustellen. Der Spezialanstrich dortselbst, der drei Tage zum Trocknen benötigt, hat ihn unverrichteter Dinge wieder zurückkehren lassen. Eine leichte Brise weht undefinierbare Bruchstücke von Musik heran. Das Geläute der von den Ziegen durchs Gelände getragenen Glocken scheint nicht mehr auszureichen. Im Ort gibt es zwei Zweirad Verleihe mit zusammen an die hundert Exemplare. Sikinos liegt mittlerweile undifferenzierbar in einer milchigen Diesigkeit. Landlord Drakos trägt heute Militärhose und blaues Hemd aus USA und Strohhut. Er arbeitet mit der Harke in seinem Lieblingsgarten. Vom Bassin fliesst das Wasser in einer Furche bis zu ihm und er lenkt es vor Ort zu Zwiebelbeete und Zitronenbäume. Drakos hat fünf Kinder. Costas führt die Taverne, eine Tochter ein Hotel in der Nähe des Restaurants. Ein Sohn lebt in USA und besitzt eine factory in Portland, Oregon. Zweimal war der alte Herr schon dort. Der Sohn sagt immer, er solle weniger arbeiten. Davon hält er jedoch nichts.
Der Schäfer befindet sich heute ganz oben auf dem Berg. Mit unterschiedlichen Pfeiftönen und Zurufen scheint er die Tiere zusammenzuhalten. Ein Nachbar, ein Deutscher, kommt vorbei und schwemmt seine Wäsche beim Bassin. Das Haus, das er bewohnt, gehört einem alten Mann, der mir gestern eine Menge Zwiebel günstig verkauft hat. Er heisst Metos und sein Sohn führt an der Strasse nahe dem Restaurant Far Out ein Geschäft. Vor Jahren hat jener dabei ein unglaublich verdriessliches Gesicht gemacht.
Erinnere mich, dass mein Bruder und ich im Anwesen des alten Mannes auf dem Dach des Hühnerstalls geschlafen haben. Das Haus selbst war von Italienern bewohnt. Mosquitos haben uns gequält, da wir keine Netze hatten. Jeden Morgen haben wir zusammen Dutzende Chapatis, Fladenbrote, mit Glasflaschen ausgerollt und in Olivenöl gebraten, das wir in Kirchen organisiert haben. Am Abend haben sich die Italiener mehrerer Häuser auf einer Veranda getroffen und ein Programm durchgezogen, das mit 'müde und schwach' bezeichnet werden konnte. Eine von uns angefertigte Wasserpfeife aus Kunststoffflasche, Glasflaschenhals und Bambusrohren ist solange gestopft und im Kreise gereicht worden, bis niemand mehr etwas zu sagen imstande war. In unserem derzeitigen Haus klebt noch ein Abziehbild an einem Balken. Porta Portese, Via Eustachi 28. Ein shop in Milano. Eine Frau in nostalgisch anmutendem langem Kleid vor einer alten Truhe, voll mit Kleidern. Verlassen damals schliesslich die Insel auf Grund von Geldnot. Am Schiff halten wir uns in einer Halle mit Flugzeugsitzen auf. Wir könnenen uns von zwei Leuten an Deck, die schon kontrolliert worden sind, durch ein Fenster ihre Tickets ausborgen, da wir kaum noch Geld haben. Von Piräus fahren wir mit der Metro bis ans andere Ende, Kifissia, kaufen noch eine acht Kilo schwere Wassermelone und versuchen dann, per autostop weiterzukommen. Schliesslich nimmt uns ein Fahrer bis nach Sarajewo mit und lädt uns noch bei seiner Familie zum Frühstück ein.
Von dort kommen wir nur schwer weiter. Kaum Verkehr. Die acht Kilo Melone immer noch im Alukoffer. Jedoch nicht lange. Wir kommen durch kleine Dörfer, aber das Ziel ist Südfrankreich. Die Weinernte. Nach einer nächtlichen LKW Fahrt, vorbei an beleuchteten Industrieanlagen voll Betriebsamkeit, versuchen wir im Schutz des Vordaches eines öffentlichen Gebäudes die Schlafsäcke auszubreiten, werden aber vertrieben. Wir übernachten schliesslich in Jayce in der Nähe des Wasserfalls auf jemandes Terrasse oder in einem kleinen Park. Kein Weiterkommen per autostop. Nehmen schliesslich einen Bus von Banja Luka zur Hauptverkehrsstrasse. Autoprevoz Banja Luka. Ein Franzose in einem Wellblech Citroen Bus nimmt uns bis Portogruaro nahe Caorle mit. Besuchen meine Freundin, die sich dort mit ihrem jüngeren Bruder aufhält, der aus gesundheitlichen Gründen Meeresluft atmen soll. In Portogruaro finden wir nichts zu essen, bloss Elektrogeschäfte. Die Idee nach Caorle zu fahren war nicht Absicht, es hat sich so ergeben. Wieder wegzukommen einigermassen schwierig. In den Autos sitzen bloss Österreicher mit Frau und Kind und schauen mit offenem Mund beim Fenster hinaus. Wir verbringen den ganzen Tag auf der Autobahnauffahrt. In der Dunkelheit versuchen wir, direkt auf der Autobahn wegzukommen. Tatsächlich bleibt ein Fahrer nach hunderten Metern Bremsweg stehen und nimmt uns bis Milano mit. Wir verkriechen uns hinter das Gebäude der Raststätte und versuchen unter einem schmalen Dachvorsprung Schlaf zu finden, da es zu regnen beginnt. Riesige Mosquitos foltern uns bis der Tag endlich anbricht. Packen die nassen Schlafsäcke ein und landen irgendwie in Genua. Versuche durch ein Kunststoffsackerl eine gewisse Trockenheit in meinen Schuhen zu erzeugen, was aber nicht gelingt.....
Spaziere am Abend ins Dorf. Auf der Terrasse des Restaurant Far Out sitzen die Gäste alle mit dem Rücken zum Meer. An der Hausmauer sind zwei TV Apparate montiert. Die Söhne des Herrn Farout sitzen abseits und langweilen sich hoffentlich. Gehe auf dem alten Eselspfad ins Dorf hinauf. Nahe des Hotels Ios Palace fängt es leicht zu regnen an, was man hier als sehr angenehm empfindet. Im Ort gibt es zahlreiche Discos in altertümlichem und rusticalem Design. In der Nacht Sturm.


Samstag 16 Mai
Am Strand Kolitsani. Die Sonne scheint, der Sand brennt auf den Fussohlen. Eine kleine Welle nach der anderen verläuft sich im Sand. Franzis und das holländische Kind Scherda schlafen. Scherda unter einem Sonnenschirm, Franzis unter einem Verschlag aus Bambusstangen, an denen Tücher festgebunden sind. Das Gebilde kann jederzeit vom Winde verweht werden. Am Strand halten sich etwa zwei Dutzend Besucher auf, davon drei Kinder. Die Französin mit den roten Locken und dem Himbeerlippenstift hört sich über Kopfhörer eine Cassette an. Ein Mann, der ziemlich braun gebrannt ist, watet im seichten Wasser. Die meisten Gäste aber liegen am Rücken und lassen sich von der Sonne wärmen, aufladen. Ein älterer Herr ist mehr im Wasser als am Land. Habe meine Taucherbrille mitgenommen. Nach dem Schnorcheln ist mir derart kalt, dass ich im heissen Sand liegend für eine Stunde wohl die Besinnung verliere. Das Resultat ist ein Sonnenbrand auf Ohren, Schultern, Rücken etc insgesamt ein Sonnenstich. Wanke ins Dorf hinauf und kaufe mehrere Kilo Kartoffeln, Tomaten, Brot, ein halbes Dutzend Joghurt, a 225gr... und trage alles kilometertweit bis zu unserem Haus. Der Nachbar Herr Michele sieht den Einkauf und fragt, wielange wir denn noch bleiben wollen.


Sonntag 17 Mai
Der Nachbar besucht uns ziemlich aufgeregt und berichtet vom Verschwinden seines Brotes. Ein Vorfall, den offenbar wir verursacht haben können. Ein Messer ist ihm auch abhanden gekommen. Helfen ihm mit Brot aus. Etwas später wirkt er wieder ruhiger und setzt sich sogar kurze Zeit auf unsere Terrasse. Er erzählt von einem Lokal, in dem nach der Sperrstunde auf Tischen getanzt worden ist. Heute geht er in den Hafen und wird für Acteon Travel Agency letters, bills und tickets entwerfen, was er selbst als shit work bezeichnet.
Halte mich beim Haus auf. Martin meint im Vorbeigehen, heute habe es eine Bullenhitze. Er hat über Nacht Besuch von zwei Frauen mit drei Kindern bekommen. Heute ziehen sie in ein benachbartes Haus, das Pannayotis Drakos gehört, dem Bruder unseres Vermieters.
Der Landgendarm spaziert vorbei. Ebenderjenige, der schon vor x-Jahren unangenehm aufgefallen ist. Tatsächlich ist es ziemlich heiss. Brütende Hitze, flimmernde Luft. Möglicherweise aber regnet es schon seit vier Uhr früh. Finde am Strand eine französische Illustrierte. L´evenement du Jeudi. Die Schlagzeile: Pourqui le proces Barbie fait peur. Blättere in dem Magazin während Heide auf der Veranda ihre Wäsche durchdrückt. Franzis weicht das gesamte Küchengeschirr ein und krabbelt dann auf meinem Sonnenbrand herum.


Montag 18 Mai
Am Strand Kolitsani. Bekleidet im Sand, um weitere Verbrennungen zu verhindern. Denke sehnsüchtig an schwarzen Tee oder aggressiven Espresso. Der Tee raucht den Griechen schon beim Verladen aus oder später in den Lagerhäusern. Der sogenannte griechische Kaffee ist kaum mehr erhältlich, weil seit der Verwendung westlicher Espressomaschinen sich Prozedur der Zubereitung nur noch privat abspielt. Franzis und Scherda spazieren zusammen bis an das Ende des Strandes. Das steigert ihre Begeisterung so, dass sie beginnen Kieselsteine ins Wasser zu schmeissen. Es passiert, was passieren muss. Ein unsachgemäss geworfener Kiesel streift ein Kind und erzeugt dadurch Geschrei. Walter schiesst flache Steine auf die ruhige Wasseroberfläche. Vinci fotografiert die Kinder beim Anfassen der Sandkuchen. So ruhig wie das Meer sind auch die Gäste dieser Bucht. Die meisten liegen bloss in der Sonne, im Wasser wird mehr gewatet denn geschwommen. Ein Mann mit Strohhut treibt auf einem Surfbrett.
Bleiben etwas länger im Dorf. Am Rückweg bricht die Dunkelheit über uns herein. Franzis will unbedingt noch ins Bewässerungsbassin hüpfen, zieht sich dann ewig nicht an und die Mosquitos fliegen herum.

 



Dienstag 19 Mai
Über dem Pool flattert die frisch gewaschene Wäsche. Es befindet sich darunter ein grosses Leintuch, das ich als Strandgut an mich genommen habe. Es ist mir beim morgendlichen Lauf am Strand in die Quere gekommen. Ein eben zum siebentenmal aufwallender Kaffee rettet mich vor aufkommender Ermattung. Auf der Feuerstelle steht ein Topf mit Kartoffeln, das Feuer aber ist ausgegangen. Wohin. Die Zeit vergeht sehr schnell. Muss wohl im Mondenschein schon am Strand hin und her laufen, um Zeit zu gewinnen.
In die brettebene Bucht von Mylopotamus schraubt sich eine Motorjacht und ankert. Von der Jacht wird ein Motorboot zu Wasser gelassen. Ein Schifahrer zieht eindrucksvolle Runden, versinkt jedoch später. Ein kleines Boot verschwindet hinter einer Landzunge Richtung Kolitsani. Das ist Nordwest. Wenn der Zug aus Beograd Richtung Saloniki abfährt, das ist Südost, habe ich stundenlang das Gefühl, dass der Zug in die andere Richtung unterwegs ist, nach Zagreb. Was immer ich für eine Geistesanstrengung unternehme, das Gefühl verschwindet erst in Niš oder Skopje oder eine Stunde vor Thessaloniki.
Eine Segeljacht ohne gehisster Takelage fährt langsam in die Bucht ein. Ein grosszüg gebauter Zweimaster. Vielleicht soll ich an den Strand gehen und das Schiff aus der Nähe anschauen. Ein weitaus wichtigeres Unternehmen ist, die Landzunge hinter Drakos Restaurant bis zum offenen Meer hinaus zu gehen. Dort gibt es flache Felsen mit Vertiefungen in denen Salz auskristallisiert. Wir haben kein Salz im Haus und das im Handel befindliche ist ja eine isolierte chemische Verbindung.
Ein Schaf blökt, der Bus hupt, das Leintuch flattert im Wind. Warum ist es am Abend immer windstill? Stelle mir vor, auf einem Zweimaster unterwegs zu sein, als Besitzer etwa, und von Piraten angegriffen zu werden. Version alpha: Die Piraten lassen ein Ruderboot zu Wasser und nähern sich. Wir holen unsere Gewehre und schiessen auf das Boot. Daraufhin feuert Israel Hands, der Bordschütze von Captain Flint seine Kanone und versenkt uns. Version Beta: wir ergeben uns und werden über Bord geworfen. Der Kaffee ist zu Ende, die Erdäpfel sind hoffentlich weichgekocht. Die Wäsche darf im Wind bleichen. Denke an die Frau mit den zwei Kindern, die in ein Nachbarhaus eingezogen ist. Dieses Haus, ein schmuckloser Kubus ist mir von einem früheren Aufenthalt in Erinnerung. Zusammen mit einer Freundin, meiner Schwester und ihrem zwei jahre alten Sohn fliegen wir in der Hauptreisezeit nach Athen. Der Abflug in Wien ist bereits verspätet. Den Weiterflug nach Chania verpassen wir fürs erste und müssen im Flughafengebäude stundenlang warten. Von Chania fahren wir mit einem Bus nach Paleochora an die Südküste, wo ich meine Taucherbrille im seichten Wasser verliere. Ansonsten verlieren wir dort nicht viel Zeit und fahren wieder zurück nach Chania. Mit der Fähre nach Piräus und von dort nach Ios. Die erste Nacht verbringen wir im youth hostel des Eleftherios Platis. Nächsten Tag ziehen wir in den besagten Kubus im Garten des Pannayotis Drakos. Das neuzeitliche Bauwerk hat noch keine mit Bambus überdachte Veranda und da es nicht aus Stein gebaut ist, speichert es die Hitze wie ein Backofen. Meiner Schwester ist es zu heiss. Einige Tage später kommt ihr Freund mit zwei Bekannten von mir bei diesem Kubus an. Das haben wir so vereinbart. Meine Schwester kann sich mit dieser Situation nicht recht anfreunden und reist mit ihrem Sohn ab. Eine der Frauen realisiert, dass sie schwanger ist, was ihr nicht wirklich in den Kram passt.
Eingemachte Kirschenkompotte spazieren im Gleichschritt zur jugoslawischen Nationalhymne über verlassene Bergrücken auf der Insel Sikinos. Nur dem wachsamen Auge eines seinerzeit wegen eines dreckigen Fluches zu Stein erstarrten Cyclopen entgeht nicht, dass heute das von ihren Betreibern als neuestes, grösstes und schnellstes Schiff gepriesene ferry boat Georgios Express eine nicht marketing konforme Verspätung aufweist. Wie heisst der Kapitän dieses Schiffes? Was sagt der Schiffskoch zum ersten Officier, nachdem ihm jemand während des planmässigen Aufenthaltes in Ermoupolis ein Kunststoffsackerl voll Kutteln in die Kombüse bringt?


Unser Nachbar, der Schweizer freelancer Michele, kommt erst am frühen Morgen nach Hause gekommen. Er erwähnt das Wort party, trinkt einen Kaffee und versucht mein Trompetengetöse mit einer audiocassette in Schach zu halten. Kurzerhand versperrt er seine Küche und geht wieder. Dazu fällt mir das Briefpapier des unseligen Castle Hotel in der Moi Avenue in Mombasa ein. Ein Hahn ist hinter einer Henne her. Darunter steht: always ready for new business. Freitag ziehen wir hier aus. Vielleicht mieten wir das Haus beim Brunnen. Vor einigen Jahren habe ich einmal darin gewohnt. Es ist aber etwas heruntergekommen. Die Fensterstöcke benötigen Mörtel, die Wände müssen gekalkt werden. Die Wandmalereien dort hält man nicht aus auf die Dauer.

 



Mittwoch 20 Mai
Die Sonne wird von einer diesigen Wolkenschicht bedrängt. Die ganze Bucht liegt in trübem Schleier. Die Insel Sikinos ist bloss schemenhaft zu erkennen. Eine Segeljacht, bar jeden Tuches am Mast, steht in der windstillen Bucht. Heide schält die Kartoffeln, die ich am frühen Morgen auf das Feuer gestellt habe. Sie sind schwarz, weil sie auch noch am Feuer waren, als das Wasser bereits verdampft war. Der erste Mosquito fliegt einen Angriff oder handelt es sich um einen Aufklärungsflug? Nippe kurz vor einer Ohnmacht noch an einem traditionell sechsmal aufgewallten griechischen Kaffee und fasse den Entschluss, ein Stück in die Berge zu spazieren. Beginne gerade mit den Vorbereitungen, da fällt Heide auf die verlassenene Bettstatt und versinkt in Ohnmacht. Spaziere mit Franzis an Georgios Monogios Garten und dem angeketteten Hühnerhund vorbei in das ausgetrocknete Flussbett mit den blühenden Oleanderbüschen. Dann einen Eselpfad einen Hang hinauf, vorbei an einem alten Eselstall in dem Stroh lagert. Der Weg verliert sich im Gesträuch oder ich verliere den Weg, jedenfalls kommen wir nicht weit. Michali, dem ein benachbartes Feld gehört, das rundum mit Bambus geschützt ist, reitet auf einem Maultier vorbei, gefolgt von zwei Eseln. Er spricht so bildhaft und langsam, dass ich glaube, einiges zu verstehen. Das Maultier heisst Franzisco und Franzis darf sich eine Weile daraufsetzen.
Der Abend ist ungewöhnlich kühl. Der Wasserstand im Bassin ist auf einem niedrigen Niveau. Franzis schläft beim Essen ein. Verfrachte sie unter das Netz. Ein Mosquitostich juckt mich am Handrücken. Der Kaffee ist aufgebraucht.

 



Donnerstag 21 Mai
Wache sehr früh auf und schaue beim Fenster hinaus. Nehme an, dass noch finstere Nacht ist obwohl bereits der Morgen dämmert und falle wieder in Ohnmacht. Wie ich das Haus verlasse, arbeitet Georgios Drakos bereits in seinem Garten. Begegne mehreren Frühaufstehern während des Strandlaufes. Eine junge Frau sitzt nahe der Tretboote und Surfbretter im Sand. Zwei junge Touristen gehen Richtung Restaurant Drakos am anderen Ende des Strandes. Vor ein paar Tagen habe ich sie im Café des alten Louiso am main square gesehen. Louiso ist schon gestorben, sein Sohn führt das Café. Die beiden hatten eine Tequilaflasche in einem Kunststoffsackerl getarnt an der Hausmauer ums Eck deponiert. Von Zeit zu Zeit hat einer der beiden in einer Softdrinkdose Tequila zum Tisch gebracht und in andere Getränke gemischt. Sehe auch Metos, der rauchend auf seinem Esel sitzend, über den Strand reitet und dann zu seinem Garten abbiegt. Er ruft mir ein Wort zu, das sich wie Gymnastik anhört. Die Terrasse des Restaurant Far Out wird bereits gesäubert. Von der Strasse biegt ein jüngerer Grieche mit drei Maultieren in den Strand ein. Der Mann sieht aus, als ob er sich bereits geärgert hat. Sehe kurz darauf Michali, der zu Fuss in Richtung seines Gartens geht. Laufe einigemale am Strand auf und ab.
Die Sonne steht über den Bergen inmitten eigenartiger Wolkengebilde. Mettos arbeitet in seinem Garten. Er zieht zu den Zitronenbäumchen Gräben, in die er dann Wasser aus dem Bassin leitet. Er trägt ein langärmeliges Unterhemd aus Schafwolle oder Baumwolle. Dazu die Originalkappe der Griechen. Drakos wiederum einen breitkrempigen Strohhut. Monogios eher einen eleganten. Am Hang tragen die Ziegen wieder die Glöckchen durchs Gebüsch. In der Ferne das Dröhnen von Schiffsmotoren. Drakos geht zu Mettos hinüber, der gerade Gräben zu seinen Weinstöcken zieht. Höre ein deutliches Kali Mera. Das ferry boat Lemnos durchmisst den Horizont. Drakos staubt aus einem Jutesack ein gelbes Pulver auf seine Weinstöcke. In den nächsten Minuten wird die Lemnos in den Hafen einlaufen und ihre Nebelhörner ertönen lassen. Eine Ziege meckert in der Nähe. Im Hinterland werkt ein Caterpillar. Die Sonne steigt über das Haus und wärmt mich auf der Veranda nach dem Bad im Bassin. Franzis wacht auf.
Versuche die Umgebung zu zeichnen. Kaum ein Fortschritt nach den paar Blättern. Habe etwa mehr Erfolg bei der Jagd nach Mosquitos. Scheuche sie im Haus mit einem wehenden Handtuch auf und verfolge sie mit wachsamem Auge bis zu ihrem neuen Landeplatz, wo ich sie dann mit der Militärkappe zu erschlagen versuche. Keine Ahnung wie diese Biester ins Haus hereinkommen. Habe sogar den Schornstein schon mit einem Kunststoffsack verhüllt. Die Küche befindet sich ja im Freien. Nehme die Trompete zur Hand und spiele verschiedene Tonleitern. Versuche You need hands to hold someone you care for in verschiedenen Tonarten zu spielen. Desaster.
You need hands to show that you're sincere
if you hold a brand new baby
you need tender hands to guide them on their way
you need hands to thank the Lord for living and for giving us this day
you need hands to show the world you're happy
and you need hands when you have to stop the bus
but the hands we love so dear
but the hands we like to hear
are the hands that you give to us
Überlege, ob ich ins Dorf gehen soll. But it is already very dark. No moon. Michele bleibt heute auch zu Hause. Trinken eine Tasse Tee zusammen. Heide ist bei den Nachbarn, die in Monogios' Haus wohnen zu Besuch.
Bei Kerzenlicht im Haus. Ein kräftiger Wind bläst das Dröhnen von Schiffsmotoren an Land. Ein mysteriöses Schiff fährt ausserhalb der Bucht bei stürmischer See mehrmals hin und her. Ist ein Boot oder ein Surfer verschollen? Wird Schmugglern aufgelauert oder werden Minen ausgelegt?

 



Freitag 22 Mai
Laufe in der Herrgottsfrühe am Strand hin und her. Noch öfter als gestern. Sabine frühstückt mit uns. Ihre Kinder sind schon sehr früh wach. Franzis will sich das Unterhemd vom Leibe reissen, dabei ist sie ohnehin schon halb ausgezogen und der Wind bläst heute infernalisch. Weisse Gischt am Meer. Der Strand ist weit hinein überflutet. Schaumkronen. An den Felsen meterhohe Gischt und haushohe Brecher. Von ferne das Dröhnen einer sieben Meter hohen Sturmflut. Ein Surfer ist pfeilschnell unterwegs. Der Wind bläst die Seiten meines Notizbuches auf und das Schreibzeug vom Tisch. Nervig. Auf dem Feuer steht eine Kasserolle, eine olle Konservenbüchse, eine pflaumenfarbene Pfanne, ein grösserer Topf und darin koche ich meine dreckigen Unterhemden und ein halbes Dutzend Suppenhühner gar, derweil in einer Ecke dieses Etablissements das Kleinkind mit einer halbaufgezogenen Avocado scherzt. Kurz das Schreibzeug im Stich gelassen, um den Kochvorgang zu überwachen und schon wird es vom Winde verweht. Das Gerät fällt so unglücklich, dass die Kugel beschädigt wird, die den farbigen Mineninhalt verteilt. Solche Ereignisse und Verkettungen tragen entscheidend zu einer Dissoziation meiner mühevoll aufgebauten Kohärenz bei. Möchte wissen warum ich noch nie gesurft bin. Tennis spiele ich auch nicht.
Georgios Monogios spaziert von seinem Garten kommend nach Hause. Er schenkt Franzis eine Zwiebel.
Gehe am Abend ins Dorf. Trinke am main square bei Plakiotis einen Kaffee. Das Café ist leider umgebaut. Die filigranen Tische und Sessel, die Spiegel an der Wand und sonstige spärliche Einrichtung ist einer protzigen Bar gewichen. Obendrauf thront ein TV Gerät. Der Sohn des alten Haudegen spielt Musicclips. Das sound System ist so dominant, dass man sich nicht mehr unterhalten kann. In den meisten Lokalen. Dazu der sorglos zubereitete Kaffee und billige Spirituosen. Die Barbesitzer nennen das nice drinks, good coffee und friendly athmosphere. Vor Jahren habe ich einen Barbesitzer gekannt, der mir die grossen Korbflaschen gezeigt hat, aus denen er Markenspirituosen nachfüllt. Costas Kritsalis hiess der Mann und seine Bar Kukuvaya. Habe ihn aber aus den Augen verloren.


Samstag 23 Mai
Finde zwei linke Badesandalen in Kolitsani. Drohe nach dem Frühstück einer Ohnmacht anheim zu fallen. Meine Angehörigen verhindern das und überreden mich zu einer Busfahrt in den Ort Ios. Rooms. Best view over Ios. Privat shower. New appartments. Ask the driver. Am Rückspiegel hängt eine T-shirt Miniatur: Disco 69. Try it you will like it. Der Bus ist voll. Auf den Gepäckstücken der Fahrgäste stehen Namen wie Berghaus, Lowe, Carrimor, Kohla, Millet...1972 jedenfalls gab es hier noch keine Strasse.
In einem Gemüsegeschäft gibt Heide ein mittleres Vermögen für ein Sackerl Kirschen aus 630.-Drm, XY $. Das ist doch jenseits von Eden. Spazieren zum Strand Kolitsani hinunter. Ganz wenige Gäste. Treffen das Paar aus N.Y. Der Mann liest Herald Tribune.


Sonntag 24 Mai
Früh auf, aber Drakos geht schon am Haus vorbei in seinen Garten. Erschlage ein paar Mosquitos, die beim Fenster hinauswollen. Die Schwierigkeit ist, das Gitter dabei nicht zu beschädigen.
Gehe an den Strand. Auch andere Gäste sind schon dort. Ein grosser, stärkerer Typ in einem pyjamaähnlichen Gewand, ein kleiner, stämmiger, bärtiger Typ, wahrscheinlich Grieche und eine blonde Frau in Jeans und Stiefeln. Weiters der Mann, der im Restaurant Far Out zusammenkehrt. Metos auf seinem Esel und einer Zigarette im Mund. Ein griechisches Paar, die Frau mit einem Kind, beide auf Maultieren unterwegs in Richtung Berge, das heisst zu entfernten Buchten wie Klima oder Manganari. Begleitet von einem mit Strohbündeln bepackten Esel.
Koche zum Frühstück einen Griessbrei. Stehe in den gefundenen Badesandalen bei der Feuerstelle und stosse mir weiss der Teufel wie an einer Steinplatte eine Zehe derart an, dass es die Kuppe wegfegt und den Nagel hebt. Franzis ist guter Dinge an diesem Morgen. Nach dem Frühstück stösst sie mit dem Fuss so unglücklich irgendwo am Beton an, dass sie sich die Kuppe der grossen Zehe abreisst. Jammer. Notgedrungen bleiben wir beide zu Hause. Heide sucht das Weite, weil sie das Jammern nicht mehr erträgt. Franzis schreit von Zeit zu Zeit ein schneidiges Heidi in die Welt hinaus. Hüten das Haus und werden von Fliegen gequält.
Über der Insel Sikinos tauchen Wolken auf. Vielleicht entstehen die dort. Der Wind fährt durch die mit Weinreben umrankte Veranda. Ein Kochtopfdeckel wippt im Wind. Der Bus hupt in der Ferne. Franzis steht vor mir und beschwert sich, dass die Kinder von Lisa und Sabine, die bei unserem Nachbarn Martin zu Besuch sind, im Bassin herumplanschen. Sie kann nicht wegen ihrer Verletzung.
Abends windstill. Flüchte ins Haus. Vorsorglich am Nachmittag schon die Mosquitos gebeten, das Haus zu verlassen. Alsbald aber höre ich schon dieses alarmierende Fluggeräusch. Denke an einen Flammenwerfer, der auch indoor einsetzbar ist. Sind denn für diese unangenehmen Creaturen keine natürlichen Feinde konzipiert worden? Damals. Kleine fleissige Vögelchen etwa. Franzis und Heide halten sich bei den Nachbarn Sigrid und Rainer auf, die in Monogios' Haus wohnen. Das Wasser im Bassin ist ungewöhnlich warm heute und der Duft der rundum wuchernden Sträucher betäubend.
Liste der nach Piräus abfahrenden Schiffe.
Sonntag und Donnerstag 9:45 Uhr, Georgios Express. Montag 9:00 Uhr, Lemnos. Dienstag 10:30 Uhr, Georgios Express. Mittwoch Santorini. Freitag 8:30 Uhr, Delos nach Rafina. Samstag 10:45 Uhr, Santorini.


Montag 25 Mai
Reisevorbereitungen. Wäschewaschen. Suche unseren Vermieter Georgios Drakos auf und bezahle die Miete. Fahren mit Sigrid ins Dorf und besuchen das Lokal Pouseos. Gabriele, eine Freundin von Sigrid, kommt seit Jahren immer wieder nach Ios und weiss einiges zu berichten. Auf dem ursprünglich einzigen Weg zum Hafen, einer Art Treppe, kommen wir an einem Maulbeerbaum vorbei und bleiben gleich. Die Früchte ähneln Brombeeren und schmecken überaus süss.
Das Kind ist etwas anstrengend, die Mutter entnervt. Abend. Wasche das Geschirr mithilfe der Holzasche von der Feuerstelle in der Küche. Der Himmel ist bedeckt, das Meer unheilvoll ruhig. Heide sucht das Weite in Richtung Sigrid und Reiner. Franzis wickelt ihre Puppe in ein Cellophansackerl. Überlege ob ich noch einen Kaffee aufs Feuer stellen oder aber einen Spaziergang zu den Restaurants am Strand machen soll, um dort ein Bier zu trinken und ein Cigarillo zu rauchen.


Dienstag 26 Mai
Kein Strandlauf an diesem Morgen. Hole bloss Wasser vom Brunnen und mache Feuer. Bringe Costa Drakos die Leintücher zurück. Er scheint noch zu schlafen, aber seine Mutter nimmt sie gerne entgegen. Treffe am Rückweg Georgios Drakos, verabschieden uns mit einem Händedruck. Etwa drei Wochen lang haben wir einander täglich kurz nach der Morgendämmerung begegnet. Aufbruch. Gehen am Haus von Martin vorbei und verabschieden uns von Julia und Sabine und den Kindern. Auf dem Weg zum Bus kommen wir an einem ausgetrockneten Brunnen vorbei, in den wir ein paar Münzen schmeissen. Im Bus bemerkt Heide, dass sie die kleine Geldbörse mit den Münzen verloren hat. Im Hafen warten wir in einem Café auf die Ankunft des Schiffes. Michele, unser unmittelbarer Nachbar, verabschiedet Freunde. Rainer leistet uns Gesellschaft. Er hat das Geldbörsel gefunden und die Passfotos von Heide und Franzis darin entdeckt.


Auf dem ferry boat Georgios Express. Scheint einmal ein belgisches Schiff gewesen zu sein. Rettungsboote mit der Aufschrift auf Metallplaketten: Roi Baudoin Oostende, überpinselt mit griechischen marine paints. An anderer Stelle: Niet Roken. In einem kleinen Kästchen mit Glasscheibe und Hammer zum Einschlagen: Noodstop. Buitenboordpompen. das Schiff ist über 100m lang, 15m breit und bis zu Deck B 10m hoch. Draught 3.8m. Speed knots 20. Twin screw diesel propulsion 9000bhp. Passengers 1525. Crew 60. Cars 170.
Afsluiters aan Brandstofolietanks
No 3 Ketel
No 2 Hulpmotoren
No 1 Hoofdmotoren
In Geval van brand in machinekamer glas inslaan en alle hefbomen overhalen ook aan bakboord. Cockerill Ovgree Hoboken 1965. Zwemveesten.
Heide ist mit dem eingeschlafenen Kind an einen deckchair gefesselt. Naxos in Sicht. In der Ferne hohe Berge, in Küstennähe Caterpillar, LKW und Staubwolken. Das Schiff fährt nahezu lautlos in die Bucht ein. Ein Nebelhorn wird unter Druck gesetzt und pustet Franzis aus dem Schlummer. Das Landemanöver ist in Gang.


Halte mich auf einem Bugdeck unter dem Cockpit auf, das heisst unter der Brücke. Hier ist es am ruhigsten. Die Schiffsmotoren sind kaum zu hören. Dafür ist die Windstärke enorm. Knöpfe das Hemd unterm Pullover bis oben zu, mache die Jacke dicht und schlinge ein langes Tuch wie einen Turban um meinen Kopf. Der Wind bläst bei den Ärmeln in die Jacke hinein. Das Schiff nähert sich Kithnos oder ist es Kea?


Wed, 27 Mai


Thu, 28 Mai
Der von uns gebuchte Flug wird offiziell von 14:30 Uhr auf 17:30 Uhr verschoben. Tatsächlich fliegt das Flugzeug aber um 15:00 Uhr ab. Wir kommen um 16:00 Uhr in das office der travel agency, um die Tickets abzuholen.
Egypt Air quartiert uns im Hotel Fenix in Glifada ein.


Fri, 29 Mai
Hotel Fenix in Glifada. Zimmernummer 221. Ausblick auf einen Jachthafen, eine dreispurige Stadtautobahn und den Hotel-swimming pool. Das Hotel befindet sich neben der Startbahn des Internationalen Flughafens.
Frühstück im Hotel Fenix. Zwei kleine in Alu verpackte Butterstückchen, eine ebenso verpackte Menge Marmeladeimitat, zwei Stück Zwieback, Haltbarmilch, ein cellophaniertes Stück süsser Kuchen, Orangeade, Kaffee. Franzis findet es ganz vergnüglich am swimming pool.
Unterhalte mich mit Vera aus Perth, Australien. Sie und ihr Mann Gavin wollten gestern mit derselben Maschine nach Cairo fliegen. Vera erzählt, dass der travel agent ihnen noch ein Restaurant empfohlen hat, wo er kurz nach Bestellung der Speisen aufgetaucht ist und ihnen mitgeteilt hat, dass das Flugzeug früher abfliegt. Sie haben ein Taxi zum Hotel genommen, das Gepäck geholt, die Rechnung bezahlt und sind zum Flughafen gefahren. Das Flugzeug aber war schon gestartet. Gavin ist bereits in die Stadt gefahren, den travel agent zu treffen. Sie haben eine Tour gebucht. Hin- und Rückflug, Tagestour in Cairo, Flug nach Luxor, das Tal der Könige und zwei Tage zur freien Verfügung in Cairo. 1100 Australische Dollar oder 110 000 Drm. Vera ist aus Wales, Gavin hat schottische Vorfahren.
Schon bald kommt Gavan zurück. Der Flug ist am Nachmittag. Wir sind ganz traurig, wie sie mit dem Taxi wegfahren.
Der Flugzeuglärm ist heute erträglich. Die Maschinen fliegen nicht direkt über das Hotelgebäude. Das Zimmer kostet zwischen 3500 und 4700 Drm. Das Frühstück 300 Drm, dinner 900 Drm. Zwischen Hotel und Autobahn gibt es noch einen Platz, wo Boote repariert und aufpoliert werden. Trotz des Verkehrslärms segeln Schwalben durch die schlechte Luft. Entschliesse mich zu einem Spaziergang. Komme aber nicht weit. Ein etwa drei Meter hoher Zaun, obenauf abgerollter Stacheldraht, begrenzt das Flugfeld. Etwas weiter östlich endet das Flugfeld, der Zaun führt ins Landesinnere und dann zurück zum Flughafen. Die startenden Maschinen sind direkt über mir. Der Lärm ist gewaltig. Geradeaus befindet sich der Eingang zum Glifada Golf Club. Das Areal ebenfalls durch einen hohen Zaun abgeschirmt. Retour. Unter der Startbahn durch, entlang von Bootsparkplätzen und ehemaligen Luxusvillen, deren Besitzer längst das Weite gesucht haben.
Im Hotelfoyer. Ein Hotelgast aus dem Fernen Osten versucht Ankara und Istanbul zu erreichen. Vergeblich. Always busy, sagt der Rezeptionist.
Unterhalte mich mit dem Hotelmanager über das Essen. Er erklärt mir höflich, dass es sich um ein internationales Menü handelt. Griechisches Essen gibt es in diversen Tavernen. Mit Egypt Air hat das Hotel ein special agreement. Von 900 Drm per Dinner könne man nicht so ohne weiteres ausgehen. Er telefoniert sofort mit der Küche und veranlasst, dass zumindest ein Salat für uns vorbereitet wird. Dass uns heute das Menü von gestern vorgesetzt worden ist, überhört er.
Abendessen. Als Vorspeise Spaghetti. Dann ein faschiertes Laibchen und ein Spiegelei darüber. Dazu Erdäpfelpüree. Instantpüree. Und der Extra Salat. Verlassen den Speisesaal und fahren in die Stadt. Der Busfahrer rast. Wir haben Mühe, uns auf den Sitzen festzuhalten. Die Hotels der Küste ziehen vorbei, ein Lunapark, mehrere Schwimmbecken, eine Minigolfanlage. Der Bus biegt in Richtung Zentrum ab. Vorbei an Autosaloons, modernen Wohngebäuden. Enormes Verkehrsaufkommen und Stau in der Nähe des Syndagma square. Besuchen ein Puppentheater in der Nähe der Odos Adrianou. Franzis gefällt es aber nicht.


Samstag 30 Mai
Auf dem mini Balkon des tollen Hotel Fenix in Glifada. Eine Schulklasse lärmt um den swimming pool. Selbstverständlich hat jemand einen Cassettenrecorder mitgebracht und das Ding und auf grösstmögliche Lautstärke aufgedreht. Der Strassenlärm wird direkt übertönt durch den synthetischen Disco Pop. Sichte das angesammelte Kassenzettelmaterial. Schmeisse alle Rechnungen und sonstige Notizzettel weg. Auf dem letzten steht Venus, der Name einer Bar in Piräus an der Hafenpromenade, wo der Kellner aus Syrien ist und der Besitzer lange in Australien gelebt hat. I am the venus. Joy desire. She's got it.
Das Mittagsmenü im Hotel Fenix: chicken, roast beef or hamburger. Alles ungeniesbar. Als Vorspeise wird Eierspeis (Rührei) angeboten. Extra für uns: Salat.
Der Rezeptionist erinnert mich an einen Western. In dem Streifen fährt eine Postkutsche irgendwohin und wird von einer Bande in eine Falle gelockt. Stagecoach nachempfunden. Frauen werden als Geiseln genommen, der Held des Filmes kämpft gegen die Bande wird aber von einem bereits totgeweihten, schlecht getroffenen Banditen hinterrücks erschossen. Dies deshalb, weil ein ihm Rückendeckung gebender Mitreisender nicht schiessen kann, weil eine der Frauen in der Schusslinie steht. Wer spielt den unglücklichen Helden, wie heisst der Film? Marlon Brando ist es nicht, auch nicht James Coburn, James Caan, Nick Mason. Auch nicht Clint Eastwood, weil der ist immer rasiert. Franko Nero oder Bud Spencer, weit gefehlt. Verdammt wie heisst der Mann. Robert Redford ist jemand anderer. Es soll wohl nicht sein, ist auch egal. Lee Marvin ist es auch nicht. Bleibt noch Paul Newman.
Mein Gedächtnis ist wie ein Sieb und ein Augenlid flattert des öfteren. Es weht zumindest eine angenehme Brise.
Fahren in die Stadt. Teffen eine Faru, die wir von Ios in Erinnerung haben. Sie ist aus Los Angeles. Wir sitzen an einem Tisch unfern eines chicken grill und kommen in den Genuss vorbeiziehender Schwaden dieser bruzzelnden Angelegenheit.
Spazieren durch enge Gassen Richtung Akropolis. Aussicht auf die ganze Stadt. Der Weg führt aber nicht weiter.
Mitternacht. Ungebrochener Automobilverkehr, durchbrochen von aufheulenden Motorradmotoren oder dem Scheppern eines auseinanderfallenden Busses. Geräusche aus dem Nachbarzimmer dringen durch die dünnen Wände.


Sonntag 31 Mai
Nachmittag. Nahe des swimming pool des Hotel Fenix in Paleo Dilina, Glifada. Der Himmel ist zeitweise mit Wolken bedeckt, zwischendurch sticht die Sonne herab. War mit Franzis in Voula und Voulagmeni, die Endstelle des Autobus 122. Unsere Zimmernummer ist 221. Im Hotelfoyer ist ein TV Apparat eingeschaltet. Musikantenstadel. Bestbekleidete Musikanten und geschminkte Sängerinnen lungern in altem, restauriertem Gemäuer herum. Überblendungen. Traurig. Stelle mich an die vierspurige Küstenstrasse und versuche überzusetzen. Tolle Gegend. Mehrsternige Hotels, geräumige Tavernen, teure Fischrestaurants, grossflächige miniGolf Anlagen, Strandbäder mit Eintritt, ansonsten undifferenzierter Strand wo bereits die caterpillar lauern. Ein steter Strom von Kraftfahrzeugen, gemischt mit Motorradfahrer und den unvermeidlichen Mopeds. Zu Fuss geht hier niemand, das Radfahren ist noch nicht erfunden. Dann und wann eine alte zusammenfallende Villa mit einem desolaten Windrad im Garten. Ehemals zum Wasser pumpen. Neuerdings moderne Wohnblocks, Jachthäfen, Bootsreparaturanlagen, und über all dem in greifbarer Nähe im Landeanflug befindliche Flugapparate. Permanent.
Es ist erst oder schon 17:00 Uhr. Hier wie auch in Athen führen wir ein elendes Leben. Wir kennen niemand und können keinen Menschen besuchen. Mein Adressbuch kommt mir erst heute in den Sinn. Hätte zumindest Kostas Kritsalis aufsuchen können oder Apostolis, den ich in Folegandros kennengelernt habe, auch wenn schon ein halbes Dutzend Jahre vergangen sind. Ein Grund dafür ist, dass wir hier bloss weg wollen. Keine motivierende Vorgabe. So treiben wir uns auf den Strassen herum, schnappen am Fuße der Akropolis über der Stadt nach Luft oder halten uns in einem Kaffenion in einer touristischen Gasse auf. Da kann nichts entstehen. Ein Flugapparat donnert über das Hotel hinweg. Diesmal von der Richtung gestartet, in die üblicherweise gelandet wird. Mörderlautes Prellen.
Die Weiterreise muss anders erfolgen. Das viele Gepäck will ich nicht mehr schleppen. Wir sollten uns Fahrräder kaufen und Teile des Gepäcks abstossen. Die Lederjacke ist hier schon unangenehm. Wo werde ich den Schlafsack brauchen? Am Mount Kenya vielleicht oder in der Wüste Danakil im Winter?
Gepäckaufgabe am egypt air counter am Flughafen. Griechische security Typen ziehen oben ein paar Sachen heraus und greifen dann in die Rucksäcke hinein und hinunter. Danach Passkontrolle. Pass und boarding card werden gestempelt, das Ausreiseformular ist abzugeben. Handgepäckkontrolle durch Filmsafe. Wir müssen durch einen electronischen Torbogen gehen. Es piepst und blinkt bei uns beiden. Eine uniformierte Frau kommt mit einem Handdetektor. Schlüssel, Münzen, Nagelzwicker, hin und her. Schliesslich lässt man uns gehen. Am departure board leuchtet bereits flight 747 CAI now boarding. Wir sind die letzten in der Schlange vor gate 8. Es staut erneut. Griechische und ägyptische security durchsuchen jedes Handgepäck. Wieder Filmsafe und der electronische Torbogen. Die boarding cards werden abgerissen, endlich lässt man uns in einen Gang, der ins Freie mündet, wo ein Olympic Airways Sattelschlepper samt Trailer wartet, in den wir uns hineindrängen. Zuerst Fahrt zu einem falschen Flugzeug, wo das Bodenpersonal abwinkt. Weiter zu einer Boing 767 mit gewaltigen Triebwerken. In Grüppchen dürfen wir aus dem Trailer. Am Fuße der Gangway noch eine Kontrolle durch ägyptische security Typen. Durchgreifen des Handgepäck und Überstreichen des Rücken mit dem Handdetektor. Grossraumflugzeug, links und rechts an den Fenstern Reihen mit zwei Sitzen, in der Mitte eine Dreierreihe. Lange Videos über den Notfall: Sicherheitsgurte, Schwimmwesten, Sauerstoffmasken, Notausgänge, Notrutschen und Schlauchboote. Dies in mehreren Sprachen derweil der Flugapparat über Glifada abdreht.
Ankunft in Cairo in der Nacht, 34°C. Franzis saugt einen Guaven Juice aus einer Verpackung. Spazieren entlang der gates bis Nr. 14, wieder Kontrolle, Abnahme der Pässe und Tickets. Café Transit, air conditioned. Draussen ist es richtig warm. An den Wänden hoch oben ausschliesslich Parfüm Werbung. Fidji, la femme est une ilé. Fidji est son parfum. Drakkar noir, la douce violence d´un parfum d`homme. Polo eau de toilet....
Im Flugzeug nach Nairobi. Flug Nr 759, unsere Sitze haben die Nummern 20C, D und E. Bereits an Land verlassen wir unsere Sitzplätze und wandern nach 32A und 34A und B. Das Flugzeug rollt auf die Startbahn, Lichter des Flughafens, violette Lichter am Boden, ein rotes Licht in Form der Nummer 05L23R. Take off, rütteln und dröhnen.
Kälte durch air condition. Müssen Decken anfordern. Franzis schläft.